Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich beschlossen:

Abstimmung: Ja: 15, Nein: 10, Enthaltungen: 4, Befangen: 0

 

Der Rat der Stadt Jever spricht sich mit der anliegenden Resolution für die endgültige Stillegung des Atomkraftwerkes Esenshamm aus.

 

 


Beigeordneter Schwanzar führt aus, dem Rat werde heute eine Resolution zur Abstimmung vorgelegt, deren Inhalt die BürgerInnen bewege. Ohne Fukushima hätte es diese Resolution nicht gegeben, weil der Rat sich vorher mit einem derartigen Anliegen wahrscheinlich niemals ernsthaft befasst hätte. Heute sei eine ablehnende Haltung nur sehr schwer zu vertreten, zumal die  Bundesregierung und die politischen Parteien in Bonn ihre Haltung zur Atomkraft derzeit weitgehend überdenken würden. Wichtig ist es, dass der gesellschaftliche Konsens wieder hergestellt werde. Die Kosten des Atomstroms seien nicht zu beziffern, wenn alle Kosten vom Polizeieinsatz bis zur Endlagerung eingerechnet würden. Das Atomkraftwerk in Esenshamm sei vom Netz. Mit der Resolution solle erreicht werden, dass es auch künftig abgeschaltet bleibe. Über die Arbeitsplätze brauche man sich in diesem Zusammenhang keine Gedanken zu machen, denn auch nach seiner Stilllegung werde in einem Atomkraftwerk noch über Jahrzehnte reichlich Personal für die gesamte Abwicklung benötigt. Die erneuerbaren Energien schafften Arbeitsplätze im ungeahnten Ausmaß, die ungefährlich seien. Wenn endlich Ernst gemacht werde mit allen Möglichkeiten zur Nutzung der erneuerbaren Energien, dann könne die Bundesrepublik Deutschland Vorreiter werden für alle Industrienationen, die bisher glaubten, ohne die Atomenergie nicht auskommen zu können. Nicht notwendig sei ein Moratorium oder eine Ethikkommission, denn die Gefahren der Atomenergie seien seit Jahren bekannt. Er bitte um die Zustimmung zu der Resolution, die sich auf die Stilllegung des Atomkraftwerkes Esenshamm beziehe.

 

Beigeordneter Janßen bemerkt, das Atomkraftwerk Esenshamm sei eines der ältesten Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland und liege im Einzugsbereich des Landkreises Friesland. Das Atomkraftwerk müsse für immer abgeschaltet bleiben und nicht nur für drei Monate. Er hoffe, dass der Rat heute zu einem einstimmigen Votum gelange. Fukushima habe deutlich gemacht, dass die Atomkraft  von den Menschen nicht beherrschbar sei. In Deutschland sei die Gefahr eines Erdbebens oder eines Tsunami kaum vorhanden, um einen Störfall auszulösen, aber bereits Stromausfälle oder Computerpannen könnten dazu führen. Mittlerweile seien acht Atomkraftwerke vom Netz genommen worden, ohne dass die Menschen Auswirkungen hinsichtlich der Stromversorgung gespürt hätten. Nicht nur die Atomkraftwerke seien ein großes Problem, sondern auch die Endlagerung der Brennstäbe, die für unsere Nachkommen zu bisher ungelösten Schwierigkeiten führen werde. Die Kommunalpolitiker hätten vorrangig die Interessen der Bevölkerung zu vertreten und nicht die der Stromkonzerne. Die Ängste der Menschen müssten ernst genommen werden. Die Grünen hätten bereits sei dreißig Jahren konsequent auf die Gefahren der Atomkraft hingewiesen. Diese Auffassung habe sich zwischenzeitlich als richtig erwiesen. Umso unverständlicher sei daher die von der jetzigen Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke. Diese Fehler könnten behoben werden, wenn jetzt die Chance für eine Energiewende in Deutschland genutzt werde.

 

Bei einer ähnlichen Beschlussfassung des Kreistages habe er dafür plädiert, die Interessen der MitarbeiterInnen der Atomkraftwerke ebenfalls in der Resolution zu berücksichtigen. Dem sei mehrheitlich nicht Rechnung getragen worden, weil dieses als eine vorrangige Aufgabe der höheren Politik angesehen worden sei.

 

Beigeordneter Hartl führt aus, eigentlich habe er heute im Rat keine allgemeine Diskussion über die Atomenergie führen wollen, aber leider bleibe ihm dieses nicht erspart. Im Moment sei die Mehrheit noch damit beschäftigt, die Dimensionen dessen, was in Fukushima passiert sei,  zu verstehen und zu analysieren. Daher sei es für ihn sehr unverständlich, dass in der vorliegenden Resolution festgestellt werde, dass das Atomkraftwerk Esenshamm unsicher sei. Bei dieser Aussage handele es sich nur um eine Feststellung, die von den berechtigten emotionalen Gegnern kolportiert werde. Er könne das genauso respektieren wie die Äußerungen der Grünen, die sich seit vielen Jahren gegen die Atomkraft ausgesprochen hätten. Er vermisse allerdings, dass andere Meinungen ebenso respektiert würden. Dieses gelte sowohl für die Politik auf höherer als auf der untersten Ebene.

 

Weshalb seine Fraktion sich gegen die Resolution ausspreche, habe er in der Sitzung des Verwaltungsausschusses ausgiebig dargelegt. Ihr gehe es darum, nicht mit den Ängsten der Menschen Politik zu machen, sondern durch vernünftige sachliche Lösungen den Menschen die berechtigten Ängste zu nehmen. Seine Fraktion verfolge hinsichtlich des Inhaltes der Resolution die gleiche Zielsetzung, nicht aber den gleichen Weg. Die Menschheit habe zwischenzeitlich gelernt, dass das Restrisiko nicht mehr kalkulierbar sei. Das Leid der circa 130 Millionen Japaner sei unbeschreiblich, werde in der teilweise hysterischen Diskussion über die Atomenergie auch hier an der Basis jedoch nahezu außer acht gelassen.

 

Seine Fraktion sei gegen diese Resolution, weil die Diskussion über die Atomenergie nicht in die Zuständigkeit des Rates falle. Der Rat der Stadt Jever habe die Aufgabe, den Bürgerwillen zu vertreten und sei dafür verantwortlich, zum Wohl des Gemeinwesens zu arbeiten. Wenn der Landkreis bereits eine Resolution beschließe, sei es seiner Meinung nach nicht erforderlich, dass die einzelnen Gemeinden und Städte des Kreises ihrerseits eine zusätzliche Resolution verabschiedeten.

 

Es sei außerdem nicht in Ordnung, dass diejenigen, die sich nicht deutlich gegen die Atomenergie aussprächen, in der aktuellen Diskussion als die gewissenlosen Ausbeuter der Erde dargestellt würden. Er glaube, dass sowohl die Politiker als auch die Technologen in der Vergangenheit verantwortungsvoll mit der Atomenergie umgegangen seien.

 

Diese Resolution werde hauptsächlich deshalb von seiner Fraktion abgelehnt, da sie vielfach Formulierungen enthalte, die sie nicht unterstützen könne. Der Vorschlag, einen gemeinsamen Text zu formulieren, der von allen Fraktionen getragen werden könne, sei leider nicht umgesetzt worden, so dass die FDP-Fraktion der vorliegenden Fassung nicht zustimmen werde.

 

Beigeordneter Schönbohm bittet die Ratsmitglieder zunächst darum, den unzähligen Opfern in Japan zu gedenken.

 

Sodann führt er aus, seine Fraktion spreche sich eindeutig gegen eine erneute Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes in Esenshamm aus. Das falle der SWG als unabhängige Wählergruppe relativ leicht, da sie es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht habe, die Auffassungen in der Bevölkerung möglichst nahe wiederzugeben. Die Mehrheit der Bevölkerung sei offensichtlich gegen die Atomenergie, nachdem Fukushima gezeigt habe, dass kein Atomkraftwerk wirklich sicher sei. Hinzu kämen die vielen ungelösten Probleme bezüglich der Endlagerung und dergleichen.

 

Die SWG-Fraktion habe schon vor mehreren Jahren darum gebeten, hinsichtlich der Energieversorgung im Theater und in den Sportanlagen nach Alternativen zu suchen, was ein Zeichen dafür sei, dass diese Überlegungen zur Atomenergie nicht erst seit kurzem angestellt würden. Deshalb sollte mit der Resolution heute ein kleines Zeichen gesetzt werden.

 

Ratsfrau Glaum bedankt sich für die Unterstützung der SPD-Fraktion und der SWG-Fraktion. Nicht einverstanden sei sie mit dem Vorwurf des Beigeordneten Hartl, dass mit den Ängsten der Menschen Politik gemacht werden solle. Das Gegenteil sei der Fall, indem die Ängste sehr ernst genommen würden. Aus diesem Grunde seien sie für die Abschaltung von Esenshamm.

 

Bürgermeisterin Dankwardt stellt fest, für ein nein zu der Resolution werde man sicherlich viel Schelte bekommen. Sie habe in der Bevölkerung keine klare Meinung dazu wahrgenommen, die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke zu vollziehen. Es gebe sicherlich eine lebhafte Diskussion, die in die Richtung gehe, sich von der Atomenergie zu verabschieden und zwar schneller, als von der Bundesregierung festgelegt. Trotz umfangreicher Informationen falle es ihr sehr schwer, sich eine abschließende Meinung zu diesem Thema zu bilden. Sie stimme in weiten Teilen den Bedenken des Beigeordneten Hartl zu. Sie habe sich allerdings als Bürgermeisterin grundsätzlich vorgenommen, sich nicht zu enthalten. Somit werde sie sich gegen die Resolution entscheiden, hoffe aber, dass sie dadurch nicht in eine falsche Ecke gestellt würde. Wer eine Sache ablehne, sei nicht zwangsläufig für eine andere.

 

Beigeordneter Harms erklärt, es gehe nicht nur um die Auswirkungen der Atomkraftwerke, sondern auch um die Probleme der Zukunft, die durch die Endlagerungen entstehen würden. Wenn Gefahren erkannt würden, müsse überlegt werden, was dagegen zu tun sei. Deshalb würde seine Fraktion die Sorgen und Ängste ernst nehmen und ihre Verantwortung gegenüber den BürgerInnen übernehmen. Insofern sei er froh, dass heute eine Resolution zur Abstimmung stehe.

 

Bürgermeisterin Dankwardt führt aus, sie verwahre sich gegen die Darstellung, dass derjenige, der nicht für die dauerhafte Abschaltung von Esenshamm stimme, gleichgesetzt werde mit jemanden, der für Atomenergie sei. Selbstverständlich habe auch sie die gleichen Ängste wie alle, die für die Resolution stimmten. Sollten diese Unterstellungen weiter vorgebracht werden, werde sie sich dagegen zu wehren wissen.

 

Beigeordneter Schwanzar weist darauf hin, dass der vorliegende Text der Resolution in zahlreichen Räten verabschiedet worden sei, so dass er nicht verstehen könne, weshalb er in Jever keine allgemeine Zustimmung finden könne. Er sehe es auch als Aufgabe der Bürgermeisterin an, sich für ihre BürgerInnen einzusetzen, um sie vor den Gefahren der atomaren Strahlung zu schützen. Er gehe davon aus, dass die künftigen Diskussionen und Demonstrationen weitaus emotionaler geführt würden.

 

Ratsherr Peter Kaiser teilt mit, dass es sich bei seinen Äußerungen um eine persönliche Erklärung handele, die nicht unbedingt die Meinung seiner Fraktion darstelle. Man könne sehr wohl Gründe haben, gegen die Resolution zu sein. Die rot-grüne Bundesregierung habe damals beschlossen, das Atomkraftwerk Esenshamm bis zum Jahr 2012 am Netz zu lassen. Er gehe davon aus, dass diese Entscheidung im Vorfeld gewissenhaft geprüft worden sei, so dass er voraussetze, dass der weitere Betrieb bis zu diesem Zeitpunkt verantwortet werden könne. Sollte dieses nicht der Fall sein, könne er die damalige Entscheidung nicht verstehen, denn in dem Fall sei mit den Interessen der Bevölkerung verantwortungslos umgegangen worden. Im Übrigen müsse bei der ganzen Diskussion auch berücksichtigt werden, in welcher Form die Entwicklungsländer in den nächsten Jahren ihren Energiebedarf decken sollten. Es sei unmöglich, in diesen Ländern die Atomkraftwerke vollkommen auszuschalten. Deutschland befinde sich dagegen eher in einer Luxussituation und sei eventuell in der Lage, innerhalb der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre auf die Atomenergie verzichten zu können.

 

Beigeordneter Janßen weist darauf hin, dass beim Landkreis Friesland der gleiche Text zur Entscheidung vorgelegen habe, wie er von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen eingebracht worden sei. Beim Landkreis sei die Resolution mehrheitlich beschlossen worden.

 

Der Rat der Stadt Jever beschließt: