Sitzung: 14.04.2011 Rat der Stadt Jever
Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich beschlossen:
Abstimmung: Ja: 15, Nein: 10, Enthaltungen: 4, Befangen: 0
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Der Rat der Stadt Jever spricht sich
mit der anliegenden Resolution für die endgültige Stillegung des
Atomkraftwerkes Esenshamm aus. |
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Beigeordneter Schwanzar führt aus, dem Rat werde heute eine
Resolution zur Abstimmung vorgelegt, deren Inhalt die BürgerInnen bewege. Ohne
Fukushima hätte es diese Resolution nicht gegeben, weil der Rat sich vorher mit
einem derartigen Anliegen wahrscheinlich niemals ernsthaft befasst hätte. Heute
sei eine ablehnende Haltung nur sehr schwer zu vertreten, zumal die Bundesregierung und die politischen Parteien
in Bonn ihre Haltung zur Atomkraft derzeit weitgehend überdenken würden.
Wichtig ist es, dass der gesellschaftliche Konsens wieder hergestellt werde.
Die Kosten des Atomstroms seien nicht zu beziffern, wenn alle Kosten vom
Polizeieinsatz bis zur Endlagerung eingerechnet würden. Das Atomkraftwerk in
Esenshamm sei vom Netz. Mit der Resolution solle erreicht werden, dass es auch
künftig abgeschaltet bleibe. Über die Arbeitsplätze brauche man sich in diesem
Zusammenhang keine Gedanken zu machen, denn auch nach seiner Stilllegung werde
in einem Atomkraftwerk noch über Jahrzehnte reichlich Personal für die gesamte
Abwicklung benötigt. Die erneuerbaren Energien schafften Arbeitsplätze im
ungeahnten Ausmaß, die ungefährlich seien. Wenn endlich Ernst gemacht werde mit
allen Möglichkeiten zur Nutzung der erneuerbaren Energien, dann könne die
Bundesrepublik Deutschland Vorreiter werden für alle Industrienationen, die
bisher glaubten, ohne die Atomenergie nicht auskommen zu können. Nicht
notwendig sei ein Moratorium oder eine Ethikkommission, denn die Gefahren der
Atomenergie seien seit Jahren bekannt. Er bitte um die Zustimmung zu der
Resolution, die sich auf die Stilllegung des Atomkraftwerkes Esenshamm beziehe.
Beigeordneter Janßen bemerkt, das Atomkraftwerk Esenshamm sei
eines der ältesten Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland und liege
im Einzugsbereich des Landkreises Friesland. Das Atomkraftwerk müsse für immer
abgeschaltet bleiben und nicht nur für drei Monate. Er hoffe, dass der Rat
heute zu einem einstimmigen Votum gelange. Fukushima habe deutlich gemacht,
dass die Atomkraft von den Menschen
nicht beherrschbar sei. In Deutschland sei die Gefahr eines Erdbebens oder
eines Tsunami kaum vorhanden, um einen Störfall auszulösen, aber bereits
Stromausfälle oder Computerpannen könnten dazu führen. Mittlerweile seien acht
Atomkraftwerke vom Netz genommen worden, ohne dass die Menschen Auswirkungen
hinsichtlich der Stromversorgung gespürt hätten. Nicht nur die Atomkraftwerke
seien ein großes Problem, sondern auch die Endlagerung der Brennstäbe, die für
unsere Nachkommen zu bisher ungelösten Schwierigkeiten führen werde. Die
Kommunalpolitiker hätten vorrangig die Interessen der Bevölkerung zu vertreten
und nicht die der Stromkonzerne. Die Ängste der Menschen müssten ernst genommen
werden. Die Grünen hätten bereits sei dreißig Jahren konsequent auf die
Gefahren der Atomkraft hingewiesen. Diese Auffassung habe sich zwischenzeitlich
als richtig erwiesen. Umso unverständlicher sei daher die von der jetzigen
Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke. Diese
Fehler könnten behoben werden, wenn jetzt die Chance für eine Energiewende in
Deutschland genutzt werde.
Bei einer ähnlichen Beschlussfassung des
Kreistages habe er dafür plädiert, die Interessen der MitarbeiterInnen der
Atomkraftwerke ebenfalls in der Resolution zu berücksichtigen. Dem sei
mehrheitlich nicht Rechnung getragen worden, weil dieses als eine vorrangige
Aufgabe der höheren Politik angesehen worden sei.
Beigeordneter Hartl führt aus, eigentlich habe er heute im
Rat keine allgemeine Diskussion über die Atomenergie führen wollen, aber leider
bleibe ihm dieses nicht erspart. Im Moment sei die Mehrheit noch damit
beschäftigt, die Dimensionen dessen, was in Fukushima passiert sei, zu verstehen und zu analysieren. Daher sei es
für ihn sehr unverständlich, dass in der vorliegenden Resolution festgestellt
werde, dass das Atomkraftwerk Esenshamm unsicher sei. Bei dieser Aussage
handele es sich nur um eine Feststellung, die von den berechtigten emotionalen
Gegnern kolportiert werde. Er könne das genauso respektieren wie die Äußerungen
der Grünen, die sich seit vielen Jahren gegen die Atomkraft ausgesprochen
hätten. Er vermisse allerdings, dass andere Meinungen ebenso respektiert
würden. Dieses gelte sowohl für die Politik auf höherer als auf der untersten
Ebene.
Weshalb seine Fraktion sich gegen die
Resolution ausspreche, habe er in der Sitzung des Verwaltungsausschusses
ausgiebig dargelegt. Ihr gehe es darum, nicht mit den Ängsten der Menschen
Politik zu machen, sondern durch vernünftige sachliche Lösungen den Menschen
die berechtigten Ängste zu nehmen. Seine Fraktion verfolge hinsichtlich des
Inhaltes der Resolution die gleiche Zielsetzung, nicht aber den gleichen Weg.
Die Menschheit habe zwischenzeitlich gelernt, dass das Restrisiko nicht mehr
kalkulierbar sei. Das Leid der circa 130 Millionen Japaner sei unbeschreiblich,
werde in der teilweise hysterischen Diskussion über die Atomenergie auch hier
an der Basis jedoch nahezu außer acht gelassen.
Seine Fraktion sei gegen diese
Resolution, weil die Diskussion über die Atomenergie nicht in die Zuständigkeit
des Rates falle. Der Rat der Stadt Jever habe die Aufgabe, den Bürgerwillen zu
vertreten und sei dafür verantwortlich, zum Wohl des Gemeinwesens zu arbeiten.
Wenn der Landkreis bereits eine Resolution beschließe, sei es seiner Meinung
nach nicht erforderlich, dass die einzelnen Gemeinden und Städte des Kreises
ihrerseits eine zusätzliche Resolution verabschiedeten.
Es sei außerdem nicht in Ordnung, dass
diejenigen, die sich nicht deutlich gegen die Atomenergie aussprächen, in der
aktuellen Diskussion als die gewissenlosen Ausbeuter der Erde dargestellt
würden. Er glaube, dass sowohl die Politiker als auch die Technologen in der
Vergangenheit verantwortungsvoll mit der Atomenergie umgegangen seien.
Diese Resolution werde hauptsächlich
deshalb von seiner Fraktion abgelehnt, da sie vielfach Formulierungen enthalte,
die sie nicht unterstützen könne. Der Vorschlag, einen gemeinsamen Text zu
formulieren, der von allen Fraktionen getragen werden könne, sei leider nicht
umgesetzt worden, so dass die FDP-Fraktion der vorliegenden Fassung nicht
zustimmen werde.
Beigeordneter Schönbohm bittet die Ratsmitglieder zunächst
darum, den unzähligen Opfern in Japan zu gedenken.
Sodann führt er aus, seine Fraktion
spreche sich eindeutig gegen eine erneute Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes in
Esenshamm aus. Das falle der SWG als unabhängige Wählergruppe relativ leicht,
da sie es sich seit Jahren zur Aufgabe gemacht habe, die Auffassungen in der
Bevölkerung möglichst nahe wiederzugeben. Die Mehrheit der Bevölkerung sei
offensichtlich gegen die Atomenergie, nachdem Fukushima gezeigt habe, dass kein
Atomkraftwerk wirklich sicher sei. Hinzu kämen die vielen ungelösten Probleme
bezüglich der Endlagerung und dergleichen.
Die SWG-Fraktion habe schon vor mehreren
Jahren darum gebeten, hinsichtlich der Energieversorgung im Theater und in den
Sportanlagen nach Alternativen zu suchen, was ein Zeichen dafür sei, dass diese
Überlegungen zur Atomenergie nicht erst seit kurzem angestellt würden. Deshalb
sollte mit der Resolution heute ein kleines Zeichen gesetzt werden.
Ratsfrau Glaum bedankt sich für die Unterstützung der
SPD-Fraktion und der SWG-Fraktion. Nicht einverstanden sei sie mit dem Vorwurf
des Beigeordneten Hartl, dass mit den Ängsten der Menschen Politik gemacht
werden solle. Das Gegenteil sei der Fall, indem die Ängste sehr ernst genommen
würden. Aus diesem Grunde seien sie für die Abschaltung von Esenshamm.
Bürgermeisterin Dankwardt stellt fest, für ein nein zu der
Resolution werde man sicherlich viel Schelte bekommen. Sie habe in der
Bevölkerung keine klare Meinung dazu wahrgenommen, die sofortige Abschaltung
der Atomkraftwerke zu vollziehen. Es gebe sicherlich eine lebhafte Diskussion,
die in die Richtung gehe, sich von der Atomenergie zu verabschieden und zwar
schneller, als von der Bundesregierung festgelegt. Trotz umfangreicher
Informationen falle es ihr sehr schwer, sich eine abschließende Meinung zu
diesem Thema zu bilden. Sie stimme in weiten Teilen den Bedenken des
Beigeordneten Hartl zu. Sie habe sich allerdings als Bürgermeisterin
grundsätzlich vorgenommen, sich nicht zu enthalten. Somit werde sie sich gegen
die Resolution entscheiden, hoffe aber, dass sie dadurch nicht in eine falsche
Ecke gestellt würde. Wer eine Sache ablehne, sei nicht zwangsläufig für eine
andere.
Beigeordneter Harms erklärt, es gehe nicht nur um die
Auswirkungen der Atomkraftwerke, sondern auch um die Probleme der Zukunft, die
durch die Endlagerungen entstehen würden. Wenn Gefahren erkannt würden, müsse
überlegt werden, was dagegen zu tun sei. Deshalb würde seine Fraktion die
Sorgen und Ängste ernst nehmen und ihre Verantwortung gegenüber den BürgerInnen
übernehmen. Insofern sei er froh, dass heute eine Resolution zur Abstimmung
stehe.
Bürgermeisterin Dankwardt führt aus, sie verwahre sich gegen die
Darstellung, dass derjenige, der nicht für die dauerhafte Abschaltung von
Esenshamm stimme, gleichgesetzt werde mit jemanden, der für Atomenergie sei.
Selbstverständlich habe auch sie die gleichen Ängste wie alle, die für die
Resolution stimmten. Sollten diese Unterstellungen weiter vorgebracht werden,
werde sie sich dagegen zu wehren wissen.
Beigeordneter Schwanzar weist darauf hin, dass der vorliegende
Text der Resolution in zahlreichen Räten verabschiedet worden sei, so dass er
nicht verstehen könne, weshalb er in Jever keine allgemeine Zustimmung finden
könne. Er sehe es auch als Aufgabe der Bürgermeisterin an, sich für ihre
BürgerInnen einzusetzen, um sie vor den Gefahren der atomaren Strahlung zu
schützen. Er gehe davon aus, dass die künftigen Diskussionen und
Demonstrationen weitaus emotionaler geführt würden.
Ratsherr Peter Kaiser teilt mit, dass es sich bei seinen
Äußerungen um eine persönliche Erklärung handele, die nicht unbedingt die
Meinung seiner Fraktion darstelle. Man könne sehr wohl Gründe haben, gegen die
Resolution zu sein. Die rot-grüne Bundesregierung habe damals beschlossen, das
Atomkraftwerk Esenshamm bis zum Jahr 2012 am Netz zu lassen. Er gehe davon aus,
dass diese Entscheidung im Vorfeld gewissenhaft geprüft worden sei, so dass er
voraussetze, dass der weitere Betrieb bis zu diesem Zeitpunkt verantwortet
werden könne. Sollte dieses nicht der Fall sein, könne er die damalige
Entscheidung nicht verstehen, denn in dem Fall sei mit den Interessen der
Bevölkerung verantwortungslos umgegangen worden. Im Übrigen müsse bei der ganzen
Diskussion auch berücksichtigt werden, in welcher Form die Entwicklungsländer
in den nächsten Jahren ihren Energiebedarf decken sollten. Es sei unmöglich, in
diesen Ländern die Atomkraftwerke vollkommen auszuschalten. Deutschland befinde
sich dagegen eher in einer Luxussituation und sei eventuell in der Lage,
innerhalb der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre auf die Atomenergie verzichten
zu können.
Beigeordneter Janßen weist darauf hin, dass beim Landkreis
Friesland der gleiche Text zur Entscheidung vorgelegen habe, wie er von der
Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen eingebracht worden sei. Beim Landkreis sei die
Resolution mehrheitlich beschlossen worden.
Der Rat der Stadt Jever beschließt: