Sitzung: 13.12.2012 Rat der Stadt Jever
Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich beschlossen:
Abstimmung: Ja: 20, Nein: 10, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Vorlage: BV/0276/2011-2016
Beschlussvorschlag:
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Die Einführung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der
Stadt Jever wird beschlossen. Zu diesem Zweck erlässt die Stadt Jever eine
Fremdenverkehrsbeitragssatzung. Der Beitragsmaßstab wird aus dem Umsatz, dem
Vorteilssatz und dem Mindestgewinnsatz gebildet. |
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Herr Rüstmann führt in den Sachverhalt ein. Der
eingeschaltete Fachanwalt, Herr Elmenhorst, habe angeregt, den
Beschlussvorschlag im Interesse der Rechtssicherheit um folgenden Satz zu
ergänzen:
Der Beitragsmaßstab
wird aus dem Umsatz, dem Vorteilssatz und dem Mindestgewinnsatz gebildet.
Diese Ergänzung sei sinnvoll, damit der Bürger, bzw.
Gewerbetreibende wisse, dass durch den heute gefassten Beschluss, die in diesem
Satz genannten Auskünfte von der Stadt erhoben werden. Er empfehle daher,
dieses Element zusätzlich in den Beschluss mit aufzunehmen.
Herr Janssen führt aus, dass über die
Fremdenverkehrsabgabe seit mehreren Jahren diskutiert werde. Insofern sei der
heutige Beschluss, diese einzuführen weder eine voreilige oder unüberlegte
Entscheidung noch handele es sich um einen Schnellschuss. Seine Fraktion sei
der Auffassung, dass es nunmehr dringend der Zustimmung bedürfe, da die Stadt
das Geld zur Refinanzierung der Marketing- und Tourismus-GmbH benötige. Das
werde der Stadt von der Kommunalaufsicht bereits seit Jahren ins Stammbuch
geschrieben. Der Gesamtumsatz der in der Stadt Jever mit dem Tourismus erzielt
werde belaufe sich auf ca. 15 Mio. € pro Jahr. Etwa 400.000 Tagesgäste
besuchten die Stadt im Schnitt, die Zahl der Übernachtungen liege bei ca. 120.000
die Tendenz sei steigend. Diejenigen, die vom Tourismus profitieren, sollten
sich nach Meinung der SPD auch entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit
beteiligen. Dies gehe in seinen Augen nur mit einer entsprechenden Satzung und
nicht auf freiwilliger Basis. Die bisherige Regelung, dass alle Bürger durch
ihre Steuern den Tourismus finanzieren, sei ungerecht und könne so nicht
weitergehen. In vielen Kommunen im Umkreis gebe es bereits entsprechende
Satzungen und von einer möglichen Klagewelle dürfe man sich nicht abschrecken
lassen. Stadtmarketing und Tourismus seien freiwillige Leistungen, die bei
einer Ablehnung der Fremdenverkehrsabgabe in Frage gestellt werden müssten. Als
er kürzlich als Zuhörer an der Finanzausschusssitzung teilgenommen hatte, habe er
das Gefühl gehabt, im falschen Film zu sein. Kurz vor Toreschluss sei dort von
einem CDU-Kollegen ein völlig unausgegorener Schnellschussvorschlag zur
Einführung dieser Abgabe unterbreitet worden, mit dem Hinweis, hierfür brauche
man dann noch 3 Monate Zeit. Zeit sei seit der Ablehnung in 2010 ausreichend
vorhanden gewesen. Für ihn sehe das so aus, als wolle man die Einführung dieser
Abgabe auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Seine Fraktion wolle,
dass Marketing- und Tourismus in Jever
weiter professionell betrieben werde, darum stimme man für die Einführung
dieser Abgabe.
Herr Schwanzar
erklärt, dass er im Hinblick auf die Einführung Fremdenverkehrsabgabe
ein Minderheitsvotum abgeben werde. Er sei dafür, dass die Kosten des
Stadtmarketings auf die verteilt werde, die vom Tourismus profitieren. Er habe
mit einigen Kaufleuten im Vorfeld gesprochen und habe nicht den Eindruck
gehabt, dass durch die Einführung das Engagement nachlasse, oder dadurch mit
Einbrüchen im Umsatz und weiteren Leerständen zu rechnen sei. Er wünsche der
Verwaltung Glück, es besser zu machen als im Wangerland, wo über 3 Jahre
Prozesse geführt werden mussten. An eine Freiwilligkeit hingegen glaube er
nicht und stimme insofern der Einführung der Fremdenverkehrsabgabe zu.
Herr Schönbohm führt aus, dass man leicht dazu neige,
zu sagen:„Schon wieder eine neuer Steuer, noch mehr Bürokratie.“ Die Einführung
der Fremdenverkehrsabgabe sei in seinen Augen hingegen eine völlig andere
Situation. Die Förderung der Vermarktung der Stadt und des Tourismus sei seit
Jahren mit steigenden Kosten verbunden und werde von allen Bürgern aus
allgemeinen Steuergeldern finanziert. Doch dieses Geld reiche für die diversen
freiwilligen Leistungen bei weitem nicht aus. Es gebe nur 3 Möglichkeiten das
Defizit im Bereich Marketing- und Tourismus-GmbH zu senken. Die eine sei, ganz
auf diese freiwillige Leistung zu verzichten, das sei aber nicht gewollt. Die
andere sei, eine vorhandene Steuer zu erhöhen, da bleibe nur die Grundsteuer
oder man erhebe eine Abgabe von denen, die von den Leistungen der Marketing-
und Tourismus-AG profitieren. Seine Fraktion sei überwiegend der Meinung, dass
die Einführung der Abgabe die gerechteste Lösung sei. Ein weiterer Vorteil sei,
dass die Einnahme zweckgebunden sei und nicht in irgendwelchen schwarzen
Löchern im Haushalt verschwinden könne. Auf Freiwilligkeit bei der Abgabe zu
setzen, halte er für nicht praktikabel und die Rückmeldungen, die er aus der
Kaufmannschaft und von Gewerbetreibenden erhalten habe, seien auch nicht positiv
gewesen. Die Einführung der Abgabe sei eng verknüpft mit der Zukunft der
Marketing- und Tourismus-AG, hier müsse eine zufriedenstellende Lösung gefunden
werden und darauf geachtet werden, dass die Kosten nach Möglichkeit reduziert
werden. Die SWG-Fraktion werde mehrheitlich dem Grundsatzbeschluss zur
Einführung der Abgabe zustimmen.
Für die CDU-Fraktion erklärt Herr Zillmer, dass die
Einführung der heute zur Abstimmung stehenden Fremdenverkehrsabgabe eine
möglich Alternative zur vorgegebenen Konsolidierung des städtischen Haushaltes
darstelle, zu der sich alle Mitglieder des Rates verpflichtet fühlen. Es sei
aber eben nur eine Alternative und die Frage, die man sich bei der CDU gestellt
habe sei, ob die Einführung mit dem derzeit vorhanden Personal zu stemmen sei,
insbesondere wenn man die Erfahrungen anderer Kommunen mit in die Überlegungen
einbeziehe. Hier zeigten es die Erfahrungen von Nachbarkommunen, wie schwer es
sei eine gerichtsfeste Satzung zu erlassen. Einnahmen aus der Abgabe würden
durch die Kosten der Prozesse wieder aufgefressen, so dass man keine Entlastung
des Haushaltes erziele. In der Frage der Gerechtigkeit der
Fremdenverkehrsabgabe werde argumentiert, dass nur so alle am Fremdenverkehr
partizipierenden Unternehmen zu Abgaben herangezogen werden können. Unstrittig
sei dabei aber wohl auch, wenn man feststelle, dass sich dieses nicht für jedes
Unternehmen aus der sog. 2 Reihe, der mittelbar Betroffenen erschließe.
Außerdem sei das für Jever favorisierte System über die Umsatzzahlen den Betrag
zu errechnen aus Sicht der CDU nicht immer einwandfrei. Es sei weiterhin zu
beachten, dass die erzielten Einnahmen zweckgebunden zu verwenden seien. Eine
Verwendung für die derzeitigen zusätzlichen Ausgaben (z.B. Eisbahn,
Blumenampeln) wäre angreifbar, da diese nicht unbedingt der Förderung des
Tourismus zugeordnet werden können. Bestimme ein Verein selbst, könne über die
Verwendung der Gelder frei entschieden werden. Daher habe die CDU Jever
Überlegungen in eine andere Richtung angestellt. Aus ihrer Sicht sei die
angestrebte Reduzierung der Haushaltsmittel auch anders zu erreichen. Hierzu
habe man bereits Gespräche mit Betroffenen über Jever-Aktiv hinaus geführt und
ein positives Echo erhalten. Auch sehe man die Möglichkeit in diesem System die
Filialisten mit ins Boot zu nehmen. Bevor er zu den Details des Vorschlages
ausführe, wolle er noch ein Wort zu den Vorwürfen, die CDU hätte sich schon
viel früher mit ihrem Ansinnen artikulieren können, verlieren. Hierzu sei zu
sagen, dass entsprechende Recherchen eben ihre Zeit bräuchten und die CDU sich
auch nicht vorschreiben lassen wolle, wann sie solche Vorschläge unterbreite.
Zum eigentlichen Vorschlag der CDU führt Herr Zillmer aus, dass man der
Meinung sei, dass die Gewerbetreibenden beispielsweise einen Marketingverein
gründen könnten, in dem sie zu jeweils festgelegten Beträgen eine
Mitgliedschaft erhalten. Hier sei von Beträgen auszugehen, die jeweils etwas
unterhalb des Fremdenverkehrsbeitrages blieben, aber auf freiwilliger Basis und
die je nach Vorhaben auch aufgestockt werden könnten. Dieser Verein bestimme
dann über seine Mitglieder, wie die eingenommenen Beiträge verwendet werden und
in welcher Form die Bearbeitung stattfinde, z.B. Einstellung eines
Geschäftsführers unter Vorgabe von zu erreichenden Zielen. Hier sei dann auch
der große Unterschied zum Fremdenverkehrsbeitrag zu sehen, denn die Verwendung
der Einnahmen aus dem Fremdenverkehrsbeitrag entscheide die Stadt. Die
Gewerbetreibenden hätten keinerlei Einflussmöglichkeit. Eine grundsätzlich signalisierte
Mitsprachemöglichkeit über Jever-Aktiv sei nicht gleichzusetzen, bei dem Modell
der CDU würden alle Mitglieder über Ausgaben mitentscheiden können. Die Stadt
Jever wäre ebenfalls zahlendes Mitglied in diesem Verein, allerdings nicht mehr
mit dem derzeitigen Geldbetrag, sondern einem entsprechend reduzierten Betrag,
was eine Ausgabensenkung und somit ein Schritt in Richtung
Haushaltskonsolidierung wäre. Ein zusätzliches Argumente für eine solche
Vorgehensweise sei, dass nach dem feststehenden Weggang des Geschäftsführers,
der Fortbestand der GmbH in der jetzigen Form auf dem Prüfstand stehe. Die
Bürgermeisterin werde vor einem Schnellschuss gewarnt, und eine sorgfältige
Prüfung angeraten. Diese Abwägung könne in den beschriebenen Prozess mit einbezogen
werden. Es gebe Kommunen, auch hier in der Region, die mit der skizzierten
Verfahrensweise gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht hätten. Man sei
natürlich nicht so vermessen zu behaupten, dass es keine Probleme darstellen
werde, alle Gewerbetreibenden zu erreichen, aber in einem ersten Schritt
ausreichend viele. Die Erfahrungen der anderen Kommunen zeigten, dass es auch
auf Dauer möglich sei und immer mehr Betriebe bereit seien, sich zu beteiligen.
Daher stelle die CDU-Fraktion den Antrag:
Auf die Einführung
des Fremdenverkehrsbeitrages wird vorerst verzichtet;
die Möglichkeit der
Umsetzung der beschriebenen Vereinslösung, ggf. auch in einer anderen
Rechtsform, im Zusammenspiel zwischen der Stadt und den Gewerbetreibenden,
gerne auch unter Beteiligung der Politik ist zu prüfen.
Die Vorsitzende stellt den Antrag zunächst zurück und
erteilt Herrn Hartl das Wort. Jever mache bei der Beschlussfassung um
die Fremdenverkehrsabgabe eine Ausnahme. In anderen Kommunen seien
Fremdenverkehrsbeiträge per „Stempel“ einfach als Satzung verordnet worden. Man
sei vor 2 Jahren an einer Schwelle gewesen, wo sie vehement dagegen gestimmt
hätten, aber nicht deshalb, weil man nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass
es haushaltspolitisch notwendig sei, sondern weil man zum damaligen Zeitpunkt
den „Stempel“ nicht gewollt habe. Inzwischen habe man aber eine ganz andere
Entwicklung. Wer sich unter den Gewerbetreibenden umhöre, bekomme zu hören,
dass die Freiwilligkeit, auf deren Grundlage der Vorschlag der CDU aufbaue, von
den Gewerbetreibenden nicht mehr gewollt sei. Hintergrund sei, eine gerechte
Verteilung auf alle Nutznießer der Marketing- und Tourismus-GmbH. Der 2. Aspekt
der ihnen wichtig sei, sei die
haushaltspolitische Notwendigkeit. Und der letzte Aspekt der seine Partei
bewege, der Einführung jetzt zuzustimmen sei, dass den Betroffenen ein
Mitspracherecht eingeräumt werde. Wie dieses formal umgesetzt werde, sei noch
zu klären und man sei sich auch bewusst, dass es sich nicht um eine
Mitbestimmung handele, aber wenn man sich am Ende des Jahres zusammensetze und
berate, wie Gelder sinnvoll verwendet werden können, finde er dies richtig und
es werde auch von den Gewerbetreibenden gewünscht. Man werde aus den
dargelegten Gründen dem Beschlussvorschlag zustimmen.
Frau Glaum führt zu den Gründen aus, die die
Grünen-Frauen dazu bewegt hätten, die Einführung des Fremdenverkehrsbeitrages
abzulehnen. Man wolle die kleinen, inhabergeführten Geschäfte, die das
besondere Flair der Innenstadt ausmachen, nicht mit zusätzlichen Abgaben
belasten. Die Einzelhändler bezahlen schon heute für jeden Tisch und jeden
Aufsteller und jeden Stuhl. Der hohe Leerstand beweise doch, dass es im
Einzelhandel zunehmend schwerer geworden sei - vor allem im Winterhalbjahr -
sich zu behaupten. Das möge für Hotels und Gaststätten zwar nicht in gleichem
Maße gelten, aber den Leerstand könne man zukünftig auch nicht mit einer
Fremdenverkehrsabgabe beseitigen, das Gegenteil sei wohl eher der Fall. Man
befürchte außerdem, dass die eingenommenen Gelder nicht in dem Maße für
touristische Aktivitäten ausgegeben würden, wie bisher. Es dürfe nach ihrer
Meinung keine Abstriche beim Kiewitt-Markt, beim Brüll-Markt, bei der Eisbahn
oder dem Blumenschmuck geben. Auch sei ihrer Meinung nach bisher zu wenig über
die Verwaltungs- und Personalkosten, welche zukünftig auf die Stadt zukommen,
gesprochen worden. Erhebung der Umsätze, Berechnung und Einteilung machten sich
nicht von alleine. Und sei die Abgabe erst eingeführt, könne beliebig an der
Steuerschraube gedreht werden. Das seien im Wesentlichen die Gründe, die
Einführung abzulehnen.
Herr Husemann begründet sein abweichendes
Abstimmungsverhalten zum einen mit der Verbesserung der Steuergerechtigkeit.
Ein weiteres Argument seien der Erhalt und die Verbesserung der Maßnahmen rund
um das Thema Tourismus durch eine gesicherte Finanzierung. Das dritte Argument
für die Abgabe zu stimmen sei für ihn, dass durch die vorab durchgeführten
Berechnungen des Fachanwaltes jegliche Erdrosselungen der Gewerbetreibenden
vermieden werden, und zu guter Letzt haushalterische Gründe, nämlich dass bei
einer freiwilligen Leistung ein wenig
Geld gespart werden könne und somit ein Beitrag zur Konsolidierung des
städtischen Haushaltes geleistet werde. Diese Gründe seien für ihn tragend und
so wichtig, dass er, abweichend zu seiner Fraktion, mit JA stimmen werde.
Die Vorsitzende lässt sodann über den Antrag der CDU
abstimmen:
Auf die Einführung
des Fremdenverkehrsbeitrages wird vorerst verzichtet;
die Möglichkeit der
Umsetzung der beschriebenen Vereinslösung, ggf. auch in einer anderen
Rechtsform, im Zusammenspiel zwischen der Stadt und den Gewerbetreibenden,
gerne auch unter Beteiligung der Politik ist zu prüfen.
Abstimmung: mehrheitlich
abgelehnt: Ja 6 Nein 22
Enthaltung 2 Befangen 0
Anschließend wird über den ursprünglichen Beschlussvorschlag abgestimmt: