Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich beschlossen:

Abstimmung: Ja: 5, Nein: 0, Enthaltungen: 2, Befangen: 0

Beschlussvorschlag:

 

Die begonnen Potenzialstudie zur Ermittlung weiterer Flächen für Windenergieanlagen im Bereich der Stadt Jever ist zu Ende zu führen. Nach Vorliegen des Endergebnisses ist über die Fortführung der Bauleitplanung – Änderung des Flächennutzungsplanes zur Darstellung weiterer Konzentrationszonen für Windenergie – zu entscheiden.

 


Der Vorsitzende erklärt einführend, dass die FDP-Fraktion zu der von der Verwaltung erarbeiteten Beschlussvorlage eine Stellungnahme abgegeben habe. Diese liegt dieser Niederschrift an. Er erteilt dazu und zu dem Antrag der FDP-Fraktion Herrn Ludewig das Wort.  Herr Ludewig weist darauf hin, dass der Antrag der FDP-Fraktion in der letzten Sitzung des Planungsausschusses begründet worden sei. Nun habe die Verwaltung eine Beschlussvorlage erarbeitet, wofür sie die Stellungnahme eines Rechtsanwaltes eingeholt habe. Für ihn als Laie sei diese schwierig zu lesen. Er habe sich daher Hilfe geholt und wolle drei Punkte aus der Beschlussvorlage der Verwaltung ansprechen. Das zitierte Urteil vom OVG Nordrhein-Westfalen, wonach tieffrequenter Schall nicht zu Gesundheitsgefahren führe, gelte für Anlagen älterer Bauart und niedriger Höhe, so dass dieses nicht vergleichbar sei. In dem herangezogenen Beschlussverfahren des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes sei es um Windkraftanlagen gegangen, die Abstände zwischen 1.400 m bis 2.100 m zur nächsten Wohnbebauung hatten. Bei diesem Verfahren seien bei der Bewertung der tieffrequenten Geräusche die überholte TA Lärm DIN 45680, Ausgabe März 1997, verwendet worden. Das Umweltbundesamt sehe Forschungsbedarf. Hierüber solle nachgedacht und Fakten gesammelt werden. Auch der Deutsche Ärztetag spreche sich für wissenschaftliche Forschungen in diesem Bereich aus. Wenn man diese 3 genannten Punkte bewerte, müsse man dem beantragten Moratorium zustimmen. Zudem habe die aktuelle Politik festgestellt, dass es ein Durchleitungsproblem für Strom aus regenerativen Energien gebe. Herr Ludewig führt als Beispiel Landrat Ambrosy an, der bei dem Projekt Verwaltungsneubau am Schlosserplatz erklärt habe, dass der Landkreis im Rahmen einer Bewertungsmatrix alle Fakten ermitteln, bewerten und gewichten wolle. Diese Verfahrensanweisung solle auch hier angewendet werden. Er fordert die Ratsmitglieder auf, dem Moratorium zuzustimmen.

 

Herr Rüstmann führt aus, dass man hier den seltenen Fall habe, dass die Aussprache über eine Beschlussvorlage mit der Stellungnahme der FDP-Fraktion vom 29.05.2016 bereits vor der eigentlichen Sitzung erfolge. Dazu hätte die Verwaltung wiederum eine Stellungnahme erarbeiten können, habe davon aber abgesehen. Es sei aus der Stellungnahme der FDP-Fraktion zu entnehmen, dass die Stellungnahme des Rechtsanwaltes nicht anerkannt werde. Er habe daher 3 Punkte herausgegriffen, um diese zu vertiefen.  Anhand der dieser Niederschrift beigefügten Präsentation erläutert er, ob das Umweltbundesamt einen Forschungsbedarf in Bezug auf Infraschall und tieffrequenten Schall von Windenergieanlagen sieht – dies ist nicht der Fall -, ob die vom Rechtanwalt Berghaus zitierten Urteile für den vorliegenden Sachverhalt ungeeignet sind – dies ist nicht der Fall - und ob die vom Bayrischen VGH am 08.06.2015 getroffene Entscheidung aufgrund der geänderten TA Lärm inkl. DIN 45680 anders ausgefallen wäre – dies ist nicht der Fall -. Zu letzterem erläutert er anhand eines Schaubildes die Interpretation von Infraschallmessergebnissen.  Danach ist von Windenergieanlagen ausgehender Infraschall für den Menschen nicht wahrnehmbar. Die Aussage, dass tieffrequenter Schall und Infraschall von Windenergieanlagen ab einem Abstand von 250 m zu Windenergieanlagen kein diskussionswürdiges Problem darstelle, sei keine Erfindung des Rechtsanwaltes, sondern bundesweit einheitliche Rechtsprechungspraxis.

 

Zur Frage der Haftbarkeit der Ratsmitglieder bestätigt Herr Rüstmann, dass eine Verfassungsbeschwerde seitens des Regionalverbandes Taunus – Windkraft mit Vernunft e.V.  eingelegt worden sei. Bislang habe diese Verfassungsbeschwerde lediglich ein Aktenzeichen; sie sei aber noch nicht angenommen worden. Er zeigt anhand der Präsentation auf, wie sich das Bundesverfassungsgericht bislang zum staatlichen Schutzauftrag positioniert hat. Dieses Urteil beinhalte eine klare Aussage, die eine Haftung in Frage stelle. Herr Rüstmann verleiht seiner Meinung Nachdruck, dass er es für nicht in Ordnung halte, wenn mit Hinweis auf eine mögliche Haftung Druck auf die Ratsmitglieder ausgeübt werde. Es gehe hier nicht um das Für und Wider der Windkraft, sondern um die Aussetzung des Verfahrens. Er habe versucht, die sachlichen Grundlagen für eine sachgerechte Entscheidung über diesen Antrag zu liefern. Ein „Break“ mache aus Sicht der Verwaltung keinen Sinn.

 

Der Vorsitzende betont, dass es nicht um die Aufstellung von Windkraftanlagen gehe, sondern darum, ob die Untersuchung beendet werde oder nicht. Seiner Ansicht nach müsse die Untersuchung zu Ende geführt werden, um alle notwendigen Fakten für eine endgültige Entscheidung vorliegen zu haben.

 

Herr Udo Albers nimmt zu dem von Herrn Rüstmann vorgestellten Schaubild bezüglich der Interpretation von Infraschallmessergebnissen Stellung, dass im Vergleich zu anderen Lärmquellen Windenergieanlagen 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag laufen. Außerdem werden Windkraftanlagen dort aufgestellt, wo der Mensch seinen Ausgleich suche. Dieses müsse Berücksichtigung finden. Die SWG-Fraktion sei kein Windkraftgegner. Ein weiterer Ausbau soll aber mit großer Akzeptanz erfolgen. Dieses sei nur mit Kompromissen möglich, wobei auf begründete Sachverhalte eingegangen werden sollte. Er erinnert daran, dass die SWG einen Antrag auf eine Abstandsregelung gestellt habe, der einen Kompromiss darstelle. Damit wären auch mögliche Windkraftanlageninvestoren einverstanden gewesen. Der Antrag sei bisher noch nicht behandelt worden, daher unterstütze man den Antrag der FDP-Fraktion.

 

Herr Janßen erklärt, dass es sich um eine für Kommunalpolitiker schwierige Angelegenheit handele. Entscheiden werde seiner Auffassung nach erst der neue Rat. Er erinnerte daran, dass der Rat am 02.07.2015 einstimmig den Aufstellungsbeschluss für die Änderung des Flächennutzungsplanes gefasst habe. Die Erstellung einer Potenzialstudie erfolge aufgrund eines gemeinsamen Antrages der Fraktionen der SWG, der SPD und des Bündnis 90/Die Grünen. Ziel seiner Fraktion sei es, die Studie zu Ende zu bringen. Die Rechtslage sei unsicher. Er betont, dass noch nicht die Entscheidung falle, ob, wo und welche Anzahl an Windkraftanlagen errichtet werden. Die SPD-Fraktion wolle auch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die betroffene Bevölkerung. Die Potenzialstudie solle jedoch zu Ende geführt werden, so dass man für eine letztendliche Entscheidung alle Fakten vorliegen habe. Ihn ärgere es, wenn suggeriert werde, dass die Ratsmitglieder sich haftbar machen, wenn sie sich für die Ausweisung von Konzentrationsflächen für Windenergie aussprechen. Im Endeffekt wolle man eine bestmögliche Entscheidung für Jever.

 

Herr Andersen führt aus, dass er ursprünglich den Antrag auf Mindestabstände gestellt habe und bestätigt, dass der ursprüngliche Beschluss für die Änderung des Flächennutzungsplanes einstimmig erfolgt sei. Man müsse den Ratsmitgliedern zubilligen, dass sie sich erst nach dem Beschluss eingehender mit der Materie beschäftigt und auch Informationen erhalten haben. Auch heute habe es für ihn neue Erkenntnisse gegeben. Es bestehen jedoch Zweifel daran, ob es nicht doch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Windkraftanlagen für die Bevölkerung kommen könne. Da im Zweifel zugunsten der Bevölkerung zu entscheiden sei, stimme er dem beantragten Moratorium zu.     

 

Bürgermeister Albers stellt fest, dass es für ihn, nachdem was vorgestellt worden sei, keinen Zweifel gebe, dass es nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen könne. Er weist darauf hin, dass der Rat im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung arbeite und mit der FPlan-Änderung geltendes Recht schaffe, wobei die Stadt sich im Rahmen der geltenden Gesetze zu bewegen habe. Wenn man, wie mit dem FDP-Antrag geschehen, eine rechtliche Haftungsfrage stelle, dann müsse man auch mit einer rechtlichen Antwort rechnen. Es sei nicht Rechtsanwalt Berghaus zitiert worden, sondern verschiedene Gerichtsurteile. Es gebe hier natürlich 2 Seiten – pro und kontra -. Aufgabe der Verwaltung sei es, die jeweiligen Behauptungen zu objektivieren. Wenn man die Frage stelle, wer in Deutschland neutral sei, könne man nur die Gerichte nennen.

In der Stellungnahme der FDP-Fraktion zur Beschlussvorlage werde moniert, dass es sich bei 2 herangezogenen Beschlussverfahren lediglich um einstweilige Rechtschutzverfahren handele. Einstweiliger Rechtschutz bedeute jedoch, dass auch hierbei ordentlich juristisch gearbeitet werden müsse. Die Richter hatten zu entscheiden, ob der Bau der geplanten Windkraftanlagen sofort gestoppt werden musste. Diese Entscheidungen waren daher durchdacht und richtungsweisend, so dass sie von der Verwaltung herangezogen wurden, um eine neutrale Position zu bekommen.

 

Bezugnehmend auf die Aussage von Herr Ludewig, dass das von Landrat Ambrosy in einer anderen Sache empfohlene Verfahren angewendet werden könnte, erklärt Bürgermeister Albers, dass das Verfahren bereits im Baugesetzbuch geregelt sei. Er empfehle, dieses Verfahren fortzuführen. Wenn es neue Erkenntnisse gebe, werde die Verwaltung auf jeden Fall tätig werden.

 

Er vertrete die Ansicht, dass die Windenergie im Rahmen der Energiewende in Jever vorangebracht werden müsse. Kohle- und Atomkraft seien für ihn keine Alternativen. Es sei Aufgabe des neuen EEG, die Windenergie einzuschränken. Die Stadt gebe mit der angestrebten FPlan-Änderung nur die Möglichkeit, weitere Flächen in das neue EEG-Verfahren einzubringen, die dann zum Zuge kommen könnten, wenn  sie nach den neuen strengen Regeln geeignet sind. Soweit aber nachgewiesen wird, dass Windkraftanlagen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, sei für ihn eine Grenze überschritten und das Verfahren zu beenden. Derzeit sei es aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsausschusses seine Aufgabe, Kritikpunkte abzuklären und zu objektivieren.

 

Frau Feldmann erklärt, dass auch ihre Fraktion das Ergebnis der Potenzialstudie abwarten und dann entscheiden wolle.

 

Herr Udo Albers geht auf die Aussage von Herrn Janßen bezüglich der einstimmigen Beschlussfassung über die Änderung des Flächennutzungsplanes ein. Zum damaligen Zeitpunkt sei nicht bekannt gewesen, dass es bereits konkrete Bauabsichten gegeben habe. Herr Janßen erwidert, dass seine Fraktion nicht über Bauabsichten informiert sei.    

 

Der Vorsitzende unterbricht dann die Sitzung, um den anwesenden Einwohnern Gelegenheit zur Fragestellung zu geben. Davon wird Gebrauch gemacht. Die Fragen werden direkt beantwortet. Sodann wird die Sitzung wieder eröffnet.

 

Frau Rasenack führt aus, dass auch sie die Ansicht vertrete, dass erst der Abschluss der  Potenzialstudie abgewartet werden solle und dann mit dem gesamten Know How über das weitere Verfahren zu entscheiden. Wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten seien, werde sie nicht zustimmen.

 

Herr Ludewig erklärt, dass die FDP-Fraktion die Potenzialstudie bis zum Abschluss geführt sehen wolle. Erst dann wolle man das Moratorium. Man wolle das Verfahren nicht abbrechen. Der Vorsitzende erwidert, dass dieses aber mit dem vorliegenden Antrag ausgeschlossen werde. Damit unterwerfe man sich einem Denkverbot. Er verliest den Antrag, wonach Folgebeschlüsse aufgeschoben werden sollen. Dieses bedeute seiner Auffassung nach, dass es dann verboten sei, weiter zu beraten; also handele es sich im Prinzip um ein Denk- bzw. Beratungsverbot.

 

Bürgermeister Albers ergänzt, dass der Antrag der FDP-Fraktion an neue Studien gebunden seien. Aus dem Vortrag von Herrn Rüstmann sei hervorgegangen, dass das Umweltbundesamt kein Anlass für neue Studien sieht. Daher setze man mit dem Antrag eine Bedingung, deren Erfüllung unmöglich sei. Der Vorsitzende schlägt vor, den Antrag zu modifizieren.

 

Herr Udo Albers führt aus, dass das Moratorium beinhalte, die Potenzialstudie abzuschließen und dann die Bauleitplanung auszusetzen, bis belastbare Grundlagen vorliegen, dass keine Beeinträchtigungen gesundheitlicher Art von den möglichen Windkraftanlagen ausgehen. Seiner Ansicht nach  werde es doch neue Studien geben; außerdem solle die TA Lärm geändert werden. Das Moratorium soll ein Schutzmechanismus sein, um nicht ins Fettnäpfchen zu treten. Der Beschluss könne nach Vorliegen belastbarer Grundlagen wieder aufgehoben werden.

 

Bürgermeister Albers erklärt, dass es ein klarer Weg wäre, das Verfahr einzustellen. Die Stadt sei im Rahmen des Verfahrens nach dem Baugesetzbuches verpflichtet, die verschiedenen Interessen abzuwägen. Dabei seien nicht allein die Interessen der Anwohner, sondern auch die Interessen der betroffenen Landeigentümer zu berücksichtigen. Soweit die Bauleitplanung nicht weiter betrieben werde solle, solle seitens der Politik ein entsprechender Antrag gestellt werden.

 

Der Vorsitzende schlägt vor, den Antrag der FDP-Fraktion zu modifizieren. Der Vorschlag wird von Herrn Ludewig abgelehnt. 

 

Der Vorsitzende lässt dann über den Antrag der FDP-Fraktion vom 07.04.2016 abstimmen:

 

Nach Abschluss der Kartierung für die im Rahmen der Potenzialstudie möglichen überplanbaren Flächen werden Folgebeschlüsse (wie z.B. Änderung des Flächennutzungsplanes, Bauleitplanungen etc.) aufgeschoben (Moratorium) bis belastbare wissenschaftliche nationale Studien über gesundheitliche Gefahren, die von Windkraftanlagen für Menschen ausgehen, vorliegen.

 

Abstimmung: mehrheitlich abgelehnt:  Ja  3    Nein 4   Enthaltung 0

 

Der Vorsitzende formuliert dann den nachfolgenden neuen Beschlussvorschlag und lässt darüber abstimmen.