Sitzung: 16.06.2016 Rat der Stadt Jever
Vorlage: BV/1207/2011-2016
Ratsherr Hartl stellt zunächst einmal die Bedeutung des
Wortes Moratorium richtig. Er führt
aus, dass in ganz Deutschland die Zeichen der Energiewende sichtbar seien und
weist darauf hin, dass im Landkreis Friesland Windkraftanlagen bereits über den
notwendigen Bedarf hinaus errichtet worden seien und dass er sein Soll an
MW-Leistung mittlerweile erfüllt habe.
Er erklärt, dass die FDP-Fraktion davon
überzeugt sei, dass die Entscheidung für die Erstellung einer Potenzialstudie
mit der notwendigen Kartierung, die vor ungefähr einem Jahr vom zuständigen
Planungsbüro erläutert worden sei, richtig gewesen sei. Denn im Laufe dieses
Prozesses habe die FDP-Fraktion durch Informationen seitens der Planer, der
Betreiber von Windkraftanlagen sowie von den gegründeten Bürgerinitiativen,
Erkenntnisse gewonnen, ohne die eine Entscheidungsfindung und die Bildung einer
fundierten Meinung nicht möglich gewesen wäre.
Er erklärt, dass die ausschlaggebenden
Faktoren für die Erwirkung eines Aufschubes zum einen die Tatsache sei, dass
die gutachterliche Auseinandersetzung im Bereich der gesundheitlichen
Auswirkungen von Windkraftanlagen noch keinen Abschluss gefunden habe sowie zum
anderen die Tatsache, dass es auch juristische Belange gebe, die für die
Entscheidungsträger möglicherweise berücksichtigt werden müssten und noch nicht
endgültig geklärt seien.
Er betont, dass das Wohl der Menschen, ihre
Unversehrtheit und die damit verbundene Zufriedenheit die wichtigsten Güter
darstellten. Soweit diese nicht einhundertprozentig gewährleistet werden
könnten, könne die FDP-Fraktion auch keine weiteren Entscheidungen treffen, die
sie dann möglicherweise in rechtswirksame Abhängigkeiten führe.
Den Vorwurf von Herrn Rüstmann
„Druck ausüben und den Ratsleuten Angst machen, ist schlechter politischer
Stil“ weist er entschieden zurück
und erklärt, dass der Hinweis auf mögliche rechtliche Belange das Ergebnis der
bisher gewonnenen Kenntnisse sei.
Zudem führt Ratsherr Hartl
an, dass er den Vorwurf des
Bürgermeisters in der Fachausschusssitzung „warum denn keiner den Antrag
stellt, dass Planverfahren zu beenden und stattdessen nur rumgeeiert wird, dass
es eine Sau graust“ für unangemessen halte. Dieses könne durchaus als
Missachtung der Ratsarbeit verstanden werden. Auch stelle es einen Affront
gegen eine große Anzahl von besorgten Bürgern dar, die durchaus seine
Wertschätzung verdient hätten. Er
erklärt, dass sie erst nach dem Grundsatzbeschluss die Gelegenheit gehabt
hätten, sich mit der Gesamtthematik auseinanderzusetzen. Außerdem seien sie
durch die allgemeine Diskussion in der Region erst für bestimmte Gedankensätze
sensibilisiert worden.
Weiterhin weist er darauf
hin, dass die Bundesregierung sich zurzeit in einem neuen
Gesetzgebungsverfahren für erneuerbare Energien befinde, welches
voraussichtlich Anfang 2017 mit zahlreichen Änderungen rechtskräftig werden
solle und somit andere Rahmenbedingungen für die Ausweitung von Windparks
beinhalten werde. Auch der Bundeswirtschaftsminister stelle den nahezu
uneingeschränkten Ausbau von Windkraft auf dem Land mittlerweile kritisch in
Frage. Auch gerade vor diesem
Hintergrund sei es nur vernünftig, zunächst innezuhalten um dann eine
nachhaltige Entscheidung treffen zu können. Er betont, dass es sich um einen schweren Abwägungsprozess handle,
bei dem die Bedürfnisse aller Bürger berücksichtigt werden müssten und nicht
nur die einer bestimmten Klientel, die natürlich ebenso das Recht auf die
Erfüllung ihrer legitimen Interessen hätten. Auf Grund der bisher gewonnenen,
jedoch noch unvollständigen Erkenntnisse, halte die FDP-Fraktion es für absolut
notwendig, dass nach ihrer Vorstellung beantragte Moratorium zu beschließen.
Abschließend kritisiert Ratsherr
Hartl noch die „Kopf durch die Wand Politik“ der Fraktion Bündnis 90/ Die
Grünen, bei der sie versuchten, in unserer kleinen Kommune die Energiewende
herbeizuführen, koste es, was es wolle.
Ratsherr Janßen erklärt, dass die SPD-Fraktion der Meinung
sei, dass das begonnene Verfahren auch zu Ende gebracht werden solle. Es solle
nicht durch ein Moratorium gestoppt oder unterbrochen werden. Erst wenn alle
Fakten und Erkenntnisse auf dem Tisch lägen, werde sie ihre Entscheidung nach
der jeweiligen gültigen Rechtslage treffen. Dabei werde sie alle Informationen
und Erkenntnisse sorgfältig abwägen; und sollten gesundheitliche
Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen zu befürchten sein, werde sie dieses
entsprechend berücksichtigen. Zudem beton er,
dass sich die SPD-Fraktion dabei von niemanden, ob Befürworter oder Gegner,
unter Druck setzen lasse. Er weist
darauf hin, dass die Einzelheiten (Anzahl der Anlagen, Höhe und
Mindestabstände) erst nach einer positiven Entscheidung für die Ermöglichung
von Windkraftanlagen geklärt werden müssten. Da im September die Kommunalwahlen
anstünden, werde sich erst der neue Rat mit dieser Gesamtthematik befassen
müssen.
Abschließend möchte Ratsherr
Janßen von der Verwaltung wissen, über welche Beschlüsse der Rat heute
abzustimmen habe. Er führt aus, dass
in der Sitzung des Stadtplanungsausschusses ein alternativer Beschlussvorschlag
erarbeitet und ohne Gegenstimme beschlossen worden sei, der vorsehe, die
Potenzialstudie fortzuführen und nach Vorliegen des Endergebnisses eine
Entscheidung zu treffen. Dieser Beschlussvorschlag sei auch im
Verwaltungsausschuss mehrheitlich beschlossen worden. Zudem stehe der Antrag
der FDP-Fraktion zur Debatte, aus dem seines Erachtens aber nicht zu entnehmen
sei, dass es sich dabei um eine Ratsangelegenheit handle. Er vertritt die Auffassung, dass nur über den alternativen
Beschlussvorschlag aus dem Verwaltungsausschuss abgestimmt werden dürfe und
nicht über den Antrag der FDP-Fraktion.
Bürgermeister Albers erklärt, dass heute über die beiden
Beschlussvorschläge abgestimmt werden müsse. Da der Antrag der FDP-Fraktion
eine Abänderung bzw. Aussetzung des Verfahrens darstelle, handle es sich um
eine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit des Rates falle. Somit müsse der
Antrag zwingend dem Rat zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei dem anderen
Beschlussvorschlag zur Fortführung der Potenzialstudie sei grundsätzlich keine
Entscheidung des Rates erforderlich, da dadurch das Verfahren nicht unmittelbar
beeinträchtigt werde. Da aber der Verwaltungsausschuss von seiner Möglichkeit
Gebrauch gemacht habe, diese Entscheidung an den Rat zu delegieren, stehe auch
dieser Beschlussvorschlag zur Entscheidung auf der Tagesordnung. Über diesen
Beschluss müsse aber nur abgestimmt werden, wenn der Antrag der FDP-Fraktion
abgelehnt werden würde, denn ansonsten stehe ja fest, dass das Verfahren bis
zum Vorliegen von neuen Erkenntnissen ausgesetzt werden würde.
Ratsherr Albers erklärt, dass die SWG-Fraktion den Antrag
der FDP-Fraktion voll unterstützen werde. Ein Moratorium sei sinnvoll, da
sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene keine vernünftigen Regelungen zu
Mindestabständen getroffen worden seien. Ebenfalls sähen sie es als sehr
kritisch an, dass der Mensch im Niedersächsischen Windenergieerlass nur wenig
Berücksichtigung gefunden habe. Sollte der Antrag der FDP-Fraktion keine
Mehrheit finden, beantrage die SWG-Fraktion, das Moratorium zumindest mit einer
Laufzeit von 12 Monaten zu versehen. Der Grund für diesen Antrag sei die von
Herrn Husemann in der Planungsausschusssitzung vorgeschlagene Denkpause, welche
ihrer Meinung nach sowohl für die Ratsmitglieder als auch für die Bürger/-innen
verbindlich sein müsse.
Abschließend bittet er die
FDP-Fraktion deren Antrag dahingehend zu erweitern, dass nicht nur das
Vorliegen von nationalen, sondern auch von internationalen Studien,
Berücksichtigung finde, da man in anderen Ländern bei diesem Thema schon etwas
fortschrittlicher sei.
Ratsherr Hartl erklärt, dass sich die FDP-Fraktion bei
ihrem Antrag nur auf die nationalen Studien bezogen hätten, da die nationalen
Studien bereits die Ergebnisse von internationalen Studien beinhalten bzw.
berücksichtigen würden und somit indirekt enthalten seien.
Ratsfrau Glaum weist die Unterstellungen der FDP-Fraktion,
dass die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen bei ihren politischen Entscheidungen
zu diesem Thema weder die Umwelt noch die Menschen berücksichtigten und dass
das Handeln ihrer Fraktion vorsätzlich oder fahrlässig sei, entschieden zurück.
Für ihre Fraktion sei klar, dass die Kartierung und das weitere
Planungsverfahren auf jeden Fall zu Ende geführt werden müsse. Sie stellt klar, dass ihre Fraktion bei
der Entscheidung alle Interessen abwägen und dabei auch die Belange der Bürger
mit einbeziehen werde. Sie seien gegen das Moratorium, da es ihrer Meinung nach
eine Verzögerungstaktik darstelle, Gutachten und Planungen seien nach dem
Moratorium obsolet und müssten dann wieder neu erstellt werden, welches wieder
zusätzliche Kosten verursache.
Nach dieser Diskussion lässt die
Ratsvorsitzende zunächst über den Antrag der FDP-Fraktion abstimmen:
Nach Abschluss der Kartierung für die im Rahmen der Potenzialstudie
möglichen überplanbaren Flächen werden Folgebeschlüsse (wie z.B. Änderung des
Flächennutzungsplanes, Bauleitplanungen etc.) aufgeschoben (Moratorium) bis
belastbare wissenschaftliche nationale Studien über gesundheitliche Gefahren,
die von Windkraftanlagen für Menschen ausgehen, vorliegen.
Abstimmung: mehrheitlich abgelehnt
Ja 10 Nein 15 Enthaltung 0
Da dieser Beschluss mehrheitlich abgelehnt wurde, lässt die Ratsvorsitzende über den Antrag der
SWG-Fraktion abstimmen:
Nach Abschluss der Kartierung für die im Rahmen der Potenzialstudie
möglichen überplanbaren Flächen werden Folgebeschlüsse (wie z.B. Änderung des
Flächennutzungsplanes, Bauleitplanungen etc.) für die Dauer eines Jahres
aufgeschoben (zeitlich befristetes Moratorium).
Abstimmung: mehrheitlich abgelehnt
Ja 9 Nein 16 Enthaltung 0
Da auch dieser Vorschlag mehrheitlich abgelehnt wurde, lässt die Ratsvorsitzende abschließend über
den vom Planungsausschuss erarbeiteten Beschlussvorschlag abstimmen:
Die begonnene Potenzialstudie zur
Ermittlung weiterer Flächen für Windenergieanlagen im Bereich der Stadt Jever
ist zu Ende zu führen. Nach Vorliegen des Endergebnisses ist über die
Fortführung der Bauleitplanung – Änderung des Flächennutzungsplanes zur
Darstellung weiterer Konzentrationszonen für Windenergie – zu entscheiden.
Abstimmung: mehrheitlich beschlossen
Ja 16 Nein 6 Enthaltung 3