Sitzung: 26.10.2017 Rat der Stadt Jever
Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich beschlossen:
Abstimmung: Ja: 16, Nein: 14, Enthaltungen: 0
Vorlage: BV/0291/2016-2021
„Der Grundsatzbeschluss über die
Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages in der Stadt Jever vom 13. Dezember
2013 wird aufgehoben.
Zu diesem Zweck erlässt die Stadt
Jever eine Aufhebungssatzung.“
Bürgermeister Albers weist darauf hin, dass der Rat seitens der
Verwaltung über die finanzielle Situation der Stadt insgesamt aufgeklärt und in
diesem Zusammenhang auch auf mögliche Alternativen zu einem
Fremdenverkehrsbeitrag hingewiesen worden sei, sodass der Rat alle
Informationen habe, die er für eine politische Abwägung benötige.
Er stellt klar, dass die Verhandlungen mit den
Klägern über eine Anpassung der Fremdenverkehrsbeitragssatzung auf ein Maß, das
erneute Klagen verhindern könne, gescheitert sei. Somit stehe der Rat heute
erneut vor einer politischen Grundsatzentscheidung zum Thema
Fremdenverkehrsbeitrag. Für ihn stelle der Abschluss des
Normenkontrollverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg eine Zäsur
dar. Durch das gesamte Verfahren sehe er
sich im Ergebnis in seinen grundsätzlichen Bedenken gegen den
Fremdenverkehrsbeitrag bestätigt.
Er verdeutlicht, dass der Rat und die
Verwaltung erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand betrieben hätten, um
die Fremdenverkehrsbeitragssatzung gerichtsfest zu machen und die Akzeptanz für
den Fremdenverkehrsbeitrag zu steigern. Aber leider sei festzustellen, dass
beides nicht gelungen sei. Vielmehr hätten sich die von den Kritikern
angeführten Risiken verwirklicht. Auch der Unmut der Beitragspflichtigen sei
noch genau so groß wie bei der Einführung.
Für ihn habe der Fremdenverkehrsbeitrag in Jever keine Zukunft. Nach
seiner Ansicht könnten und müssten die notwendigen Einnahmen zur Finanzierung
der freiwilligen Leistung Tourismus auf eine andere Art und Weise, z.B. durch
eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer um zehn Punkte, generiert werden. Er weist darauf hin, dass bei einer
entsprechenden Steuererhöhung die privaten und gewerblichen Profiteure des
Tourismus genauso gerecht an den Kosten beteiligt würden, wie durch den
Fremdenverkehrsbeitrag. Er betont,
dass letztendlich alle Bürger/-innen der Stadt Jever vom Tourismus
profitierten.
Zudem macht er deutlich, dass
mit der Erhöhung der Realsteuern um zehn Punkte etwa 130.000 Euro pro Jahr ohne
zusätzlichen Personalaufwand erzielt werden könnten. Diese Einnahmequelle hätte
zudem den entscheidenden Vorteil, dass die rechtlichen Risiken sehr gering
seien. Nach den gemachten Erfahrungen gebiete es die Vernunft, nun eine
risikolose Alternative zu wählen. Denn es mache für ihn keinen Sinn, unnötig
Steuergelder in Form von Gerichts- und Beratungskosten zu riskieren, wenn es
auch eine kostengünstigere, risikolose und gleichermaßen gerechte Alternative
gebe.
Weitern stellt er klar, dass
die Stadt mit der Aufhebung des Fremdenverkehrsbeitrages auch nicht gegen die
Vorgaben der Kommunalaufsicht verstoßen würde. Diese habe der Stadt zu keinem
Zeitpunkt über die Haushaltsgenehmigung die Erhebung eines
Fremdenverkehrsbeitrages auferlegt. Demgegenüber habe sie der Stadt in den
Haushaltsgenehmigungen 2016 und 2017 ausdrücklich die Erhöhung der Steuern ins
Stammbuch geschrieben.
Unabhängig von der heutigen Entscheidung erinnert Bürgermeister Albers die Ratsmitglieder abschließend an ihre
Gesamtverantwortung für die Finanzlage der Stadt. Dieser würden sie nicht
gerecht werden, wenn sie sich einer Bekämpfung des strukturellen Defizits
komplett verweigern würden.
Ratsherr Janßen erklärt, dass die SPD-Fraktion diese
Meinung nicht teilen könne. Die Einführung des Fremdenverkehrsbeitrages sei
damals aus guten Gründen beschlossen worden. Sie seien nach wie vor für eine
Beibehaltung des Fremdenverkehrsbeitrages. Einer der wichtigsten Gründe für die
Beibehaltung des Beitrages sei das jährliche strukturelle Defizit von über 1
Mio. Euro. Aufgrund der Haushaltslage müsse die Stadt ihre Einnahmen verbessern
und nicht auf Einnahmen verzichten.
Ratsherr Janßen beschreibt noch einmal ausführlich den
Werdegang des Fremdenverkehrsbeitrages seit dem Grundsatzbeschluss am
13.12.2012. Es sei festzuhalten, dass das Gericht nicht den
Fremdenverkehrsbeitrag an sich in Frage gestellt habe, sodass die SPD-Fraktion
heute immer noch die Meinung vertrete, dass die Erhebung des
Fremdenverkehrsbeitrages zulässig sei. Dieser werde schließlich auch in anderen
Kommunen erhoben.
Der Beitrag helfe dabei, den Tourismusstandort Jever zu erhalten und zu
verbessern. Er betont, dass
diejenigen, die vom Tourismus profitierten, je nach ihrer Leistungsfähigkeit
auch an den entstehenden Kosten beteiligt werden müssten. Er weist daraufhin, dass die Geschäftsleute in Jever viel Geld mit
dem Tourismus verdienten. Es könne nicht angehen, dass die Allgemeinheit durch
Steuererhöhungen als Ersatz für den Fremdenverkehrsbeitrag letztendlich die
Kosten tragen müsse. Diese Ungerechtigkeit werde die SPD-Fraktion nicht
mitmachen. Es gebe in Jever auch viele Bürger/-innen, die nicht vom Tourismus profitierten.
Im Übrigen sei zu bedenken, dass etwa die Hälfte der Beitragspflichtigen
lediglich 100 Euro jährlich zahlen müssten.
Die Absicht der Gewerbetreibenden, auf freiwilliger Basis 20.000 bis
30.000 Euro jährlich für die Dauer von drei Jahren zur Verfügung zu stellen,
sei keine wirkliche Alternative. Diese Summe stelle nur einen Bruchteil der
Einnahmen aus dem Fremdenverkehrsbeitrag dar, welche durch die Stadt jährlich
und vor allem auch langfristig eingenommen werden könne. Abgesehen davon, würde
eine freiwillige Abgabe noch viele offene Fragen aufwerfen und einen hohen
Verwaltungsaufwand mit sich bringen. Er
stellt klar, dass es keine ausreichende und zuverlässige Kompensation für einen
Fremdenverkehrsbeitrag gebe.
Es sei auch zu bedenken, dass eine Abschaffung des
Fremdenverkehrsbeitrages für die offiziellen Vertreter der Gastronomie- und
Gewerbebetriebe automatisch zur Folge habe, dass das eingeräumte
Mitspracherecht bei der Verwendung der zweckgebundenen Einnahmen für
touristische Zwecke entfalle.
Abschließend stellt er fest,
dass diejenigen, die sich heute für die Aufhebung des Fremdenverkehrsbeitrages
aussprächen, letztendlich für Steuererhöhungen stimmen müssten. Eine Erhöhung
der Gewerbesteuer könne auch dazu führen, dass die Gewerbetreibenden am Ende
mehr zahlen müssten, als bei der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages.
Ratsherr Schönbohm betont, dass sich die SWG-Fraktion durchaus
den Problemen und Verunsicherungen im Zusammenhang mit dem bestehenden
Fremdenverkehrsbeitrag bewusst sei. Deswegen hätten sie auch zu Beginn des
Jahres im Zuge der Haushaltsberatungen dafür gestimmt, die Einnahmen aus dem
Fremdenverkehrsbeitrag zunächst im Haushalt zu belassen und die Zeit zu nutzen,
um sich Alternativen für den Fremdenverkehrsbeitrag zu überlegen. Er bedauert, dass diese nicht passiert
sei. Sie hätten zwar viele Informationen zum Thema Haushalt etc. bekommen, aber
dieses Thema sei nicht angesprochen worden. Er vermisse Vorschläge zur Einsparung wie z.B. eine Privatisierung
der Tourist-Information, eine Zusammenarbeit mit anderen Kommunen etc.. Es gehe
dabei nicht nur ums Geld, sondern auch um eine Neuausrichtung im Bereich
Tourismus.
Auch er ist der Meinung, dass
die Entscheidung unmittelbar in Zusammenhang mit dem Haushalt für 2018 stehe. Er gibt zu bedenken, dass bei einem
Wegfall des Fremdenverkehrsbeitrages als Ausgleich nur Steuererhöhungen oder
eine Verringerung von freiwilligen Ausgaben in Frage kämen. Vor allem eine
ausschließliche Erhöhung der Grundsteuer sei ungerecht, da diese den falschen
Personenkreis treffen werde. Zudem werde eine Steuererhöhung von 10 Punkten
nicht ausreichen, um das strukturelle Defizit auszugleichen.
Ratsherr Schönbohm stellt den Antrag, den Beschlussvorschlag
dahingehend zu erweitern, dass die Gewerbe- und Grundsteuer zur Kompensation um
10 Punkte erhöht werde.
Ratsherr Janßen zeigt auf, dass eine Steuererhöhung aller
drei Steuerarten um 10 Punkte insgesamt etwa 131.000 Euro Einnahmen einbringen
werde. Er stellt klar, dass für die
SPD-Fraktion eine Steuererhöhung überhaupt nur in Frage käme, wenn der
Fremdenverkehrsbeitrag beibehalten und die Einführung einer Zweitwohnungssteuer
geprüft werde.
Bürgermeister Albers merkt an, dass diese Erweiterung des
Beschlussvorschlages formell nicht richtig sei, da alle Beschlüsse
grundsätzlich im Verwaltungsausschuss vorberaten werden müssten.
Der Ratsvorsitzende unterbricht die Sitzung um 19.45 Uhr für
fünf Minuten um den Antrag der SWG-Fraktion zu prüfen.
Nach Wiedereröffnung der Sitzung teilt er mit, dass für eine Erhöhung der Hebesteuer zwingend eine
Haushaltssatzung verabschiedet werden müsse. Diese müsse wiederum vorab im
Fachausschuss oder Verwaltungsausschuss vorberaten werden. Bei einer Abstimmung
über den Antrag müsse dieser abgelehnt werden.
Ratsherr Schönbohm zieht somit gezwungenermaßen den gestellten
Antrag der SWG-Fraktion zurück.
Ratsherr Dr. Bollmeyer erklärt, dass die CDU-Fraktion den
Fremdenverkehrsbeitrag von Anfang an mit Skepsis betrachtet habe und nun
erleichtert sei, wenn der jahrelange Rechtsstreit endlich zu einem Ende komme.
Die Möglichkeit, die Fremdenverkehrsbeitragssatzung zu korrigieren und
rechtsfest zu machen, verbiete sich seiner Ansicht nach aus zwei Gründen. Zum
einen sei von juristisch versierten Personen bereits festgestellt worden, dass
auch eine neue Satzung in einigen Punkten wieder angreifbar wäre. Zum anderen
sprächen auch die über Jahre hinweg andauernden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten
über die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages dagegen.
Für die CDU-Fraktion sei das Beitragskonzept gescheitert. Seine Fraktion
erwarte sich von einem verbindlichen Kompromiss mit den Gewerbetreibenden
wesentlich bessere Ergebnisse als von einem jahrelangen Streit um den
Fremdenverkehrsbeitrag.
Ratsfrau Zielke erklärt, dass die Fraktion Bündnis 90 / die
Grünen selbstverständlich an dem gestellten Antrag zur Aufhebung des
Fremdenverkehrsbeitrages festhielten. Dabei ginge es ihnen vor allem um den
Unmut der Gewerbetreibenden. Ratsfrau
Zielke appelliert allerdings ausdrücklich an die Freiwilligkeit der
Gewerbetreibenden und an deren Kreativität. Sie hoffe, dass dadurch in den nächsten zwei bis drei Jahren mehr
als 20.000 bis 40.000 Euro eingenommen werden könnten.
Ratsherr Theemann erklärt, dass die FDP-Fraktion sich
ebenfalls für den Antrag ausspreche. Es sei festzustellen, dass es in der Stadt
keine Akzeptanz für den Fremdenverkehrsbeitrag gebe. Man wolle den Tourismus
voranbringen und das könne nur gemeinsam mit den Gewerbetreibenden geschehen
und dazu könne man einen spaltenden Fremdenverkehrsbeitrag überhaupt nicht
gebrauchen. Es sei wichtig, den Gewerbetreibenden durch die Abschaffung des
Fremdenverkehrsbeitrages ein positives Signal zu setzen.
Er gibt zu bedenken, dass nach wie vor viele
Punkte ungeklärt seien und das Risiko, dass die Heilung der Satzung nicht
gelinge und die Gewerbetreibenden weiter klagten, zu hoch sei. Außerdem sei der
Fremdenverkehrsbeitrag mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Wenn
man von der geplanten Einnahme am Ende den Verwaltungsaufwand und einen
Risikozuschlag abziehe, werde nicht mehr viel übrigbleiben.
Der Rat beschließt: