Sitzung: 15.04.2010 Rat der Stadt Jever
Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich abgelehnt:
Abstimmung: Ja: 12, Nein: 17
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Der Rat der Stadt Jever befasst sich
mit dem gemeinsamen Antrag der SWG/Sender-Gruppe und der FDP-Fraktion vom
19.03.2010 bezüglich der Durchführung einer Bürgerbefragung gemäß § 22 d NGO
zur geplanten Aufstellung von Betonskulpturen in der historischen Altstadt. |
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Die Vorsitzende erteilt Herrn Hartl das Wort. Dieser
stellt fest, dass man aufgrund der Ausführungen der Vorredner mitten im Thema
sei. Am 12. März habe seine Fraktion, nachdem man sich nach den Beschlüssen,
die gefasst worden waren, eines anderen bzw. besseren besonnen habe, einen
Antrag gestellt. Aufgrund der Verfahrensweise, wie man mit dem Antrag
umgegangen sei, sei man damit im Verwaltungsausschuss geendet.
Damit habe sich seine Fraktion aber
nicht zufrieden geben wollen, da die Ansicht vertreten werde, dass die
Öffentlichkeit zu diesem Skulpturenpfad ein größeres Informationsrecht haben müsse.
Der gleichen Meinung sei auch die SWG/Sender-Gruppe gewesen. So habe man gemäß
§ 41 NGO bei der Bürgermeisterin die sofortige Einberufung einer Sitzung des
Rates unter Angabe des Beratungsgegenstandes "Durchführung einer
Bürgerbefragung nach § 22 NGO" - beantragt. Die Sitzung wäre zum
01.04.2010 einzuberufen gewesen. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur nächsten
turnusgemäßen Ratssitzung habe man sich einvernehmlich darauf geeinigt, diesen
Punkt in der heutigen Ratssitzung zu behandeln. Sodann verliest Herr Hartl
die dieser Niederschrift beigefügte Stellungnahme.
Herr Schwanzar führt aus, dass seine Fraktion
schlechte Erfahrungen mit "Lehrpfaden" gemacht habe. Es sei einmal um
einen stadtökologischen Lehrpfad gegangen, der dann zerredet worden sei. Deshalb
wolle man hier nicht das Gleiche tun. Seine Fraktion habe sich intensiv darüber
Gedanken gemacht. Er selbst sei der Einzige gewesen, der im VA die von Herrn Menke geltend gemachten
Bedenken zu dem Skulpturenpfad geäußert habe. Diese seien leider auf keinerlei
fruchtbaren Boden gestoßen. Seine Fraktion sei
immer für Bürgerbeteiligung und Transparenz. Seiner Ansicht nach sei der
Skulpturenpfad mit zu heißer Nadel genäht worden. Nach der Vorstellung des
Konzeptes im Kulturausschuss habe es keinen Rücklauf mehr in die Fraktionen
gegeben. Dann sei der VA bereits terminiert und die Sache beschlossen worden.
Wenn der Beton jetzt bestellt sei, sei es sehr schwierig, die Geschichte zu
bremsen. Da es wegen der Mehrheitsverhältnisse unwahrscheinlich sei, dass der Skulpturenpfad
gekippt wird, bleibe nur die Möglichkeit, an die Mehrheitsfraktionen zu
appellieren, dass man so vorgehe, wie Herr Eden es angedacht habe. Man solle
sich die Kreiselfigur nach Fertigstellung erst einmal anschauen und dann hören,
wie diese ankomme. Er habe beispielsweise nichts gegen die geplante
Figur des lesenden Bürgers am Kirchplatz vor der Buchhandlung einzuwenden. Er
habe aber Probleme mit diesen Figuren in der Tangente von Denkmälern vor dem
Schloß oder am Kiebitzbrunnen. Dieses gelte sicher auch für die Bürger, die sich mit dieser
Stadt sehr stark identifizieren. Man müsse berücksichtigen, dass Jever eine
historische Stadt sei und man die Bürger auf diese historische Substanz lenken
wolle. Er bedauert, dass man in der politischen Auseinandersetzung nicht
mehr aufeinander eingehe. Man solle anders miteinander und auch mit den Bedenken der Bürger, die
hier heute gefragt und sich auf dem Wochenmarkt geäußert haben, ernsthafter
umgehen. Dieses mache man ja auch bei der 450-Jahr-Feier. Der Skulpturenpfad
sei innerhalb von 2 Wochen dingfest gemacht. Dieses habe es bisher noch nicht
gegeben.
Herr Janßen erklärt, dass es Kulturrundgänge in
vielen anderen Städten gebe. In Jever sei nun ein Skulpturenpfad vorgesehen.
Seine Fraktion empfinde dieses als tolle Sache für Jever. Positiv daran sei
auch, dass diese Skulpturen die Stadt kein Geld kosten. Dieses sei äußerst
selten. Man solle sich darüber freuen, dass sich Sponsoren gefunden haben, die
für 4 Skulpturen gespendet hätten. Er bittet darum, dieses Projekt nicht
zu zerreden, zumal es noch genügend Möglichkeiten gebe, darüber zu diskutieren.
Der Antrag auf Bürgerbefragung hätte seiner Ansicht nach unmittelbar nach der
Kulturausschusssitzung gestellt werden müssen. In den politischen Gremien habe es
keine Gegenstimmen zu dem Skulpturenpfad gegeben. Diese seien hinreichend
informiert worden.
Es sei auch die Meinung geäußert worden,
dass man die konkrete Gestaltung der Skulpturen den Künstlern überlassen solle.
Dieser Meinung könne man nur zustimmen, da Kunst auch etwas mit Vertrauen zu
tun habe; Vertrauen in den Künstler und Vertrauen in die Vertreter der Stadt,
in diesem Fall in den Rat als Vertretung der Bürgerschaft. Bau- und
Denkmalbehörden wurden und werden einbezogen, auch in Bezug auf die künftigen
Standorte.
Die Öffentlichkeit sei durch zahlreiche
Presseveröffentlichungen und öffentliche Ausschusssitzungen hergestellt worden.
Nichts sei hinter verschlossenen Türen entschieden worden. Die Künstler wären
sicherlich bereit, ihr Vorhaben interessierten Bürgern vorzustellen. Denkbar
wäre, dass die Künstler an einem Freitag Vormittag im Graf-Anton-Günther-Saal
das Projekt anhand von Skizzen vorstellen. Dort könne sich der interessierte
Bürger informieren. An dem Grundkonzept solle festgehalten werden, zumal im
Verwaltungsausschuss der Grundidee und dem vorgestellten Konzept mit 11
Standorten einvernehmlich zugestimmt worden sei. Alles sei noch im Fluss. Die
Größe der Skulpturen sei noch nicht abschließend festgelegt. Es würden keine
Riesen in die Innenstadt gestellt.
Inwieweit alle 11 Standorte realisiert
werden, hänge von den Sponsoren ab. Diese solle man nicht vergraulen, in dem
man negativ diskutiere. Man solle das Ganze positiv sehen. Die SPD-Fraktion
spreche sich zwar gegen eine Bürgerbefragung aus, sei aber für einen weiteren
Dialog mit den interessierten Bürgern. Die endgültigen Entscheidungen seien
noch nicht gefallen. Die Skulpturen würden nach und nach aufgestellt, so, wie
Geld dafür vorhanden sei. Über jeden weiteren Standort könne diskutiert und
auch andere Standorte genommen werden.
Herr Janßen begründet die ablehnende Haltung seiner
Fraktion zu einer Bürgerbefragung damit, dass diese einen hohen finanziellen
Aufwand mit sich bringe. Nach seinen Informationen würde sich dieser auf ca.
3.000,00 Euro belaufen. Diesen Betrag habe man nicht im Haushalt eingeplant und
müsste außerplanmäßig bereit gestellt werden. Es sei unklar, welche Kriterien
bei der Bürgerbefragung angewandt werden müssen. Alle Bürger müssten die
Möglichkeit zur Stimmabgabe haben. Nicht jeder Bürger kenne sich im Internet
aus und nicht jeder könne ins Rathaus kommen. Er wirft die Fragen auf,
wie repräsentativ diese Umfrage sei und die Fragestellung aussehen solle. Bei
Kunst habe man sehr schnell viele verschiedene Meinungen. Letztendlich stellt
sich die Frage, wie das Ergebnis bewertet werden solle.
Die letztliche Entscheidung liege beim
Rat. Dieser müsse die Verantwortung tragen und möglicherweise den Kopf hin
halten, wenn es schief gehe. Seine Fraktion habe harte Köpfe und würde diese
auch hin halten.
Herr Husemann erklärt, dass er sich zu diesem
Tagesordnung zu den Themen Öffentlichkeit, zur Thematik selbst und zur
Bürgerbefragung Stellung nehmen wolle. Herr Janßen habe freundlicherweise aus
seiner Sicht, die auch die Sicht der CDU-Fraktion sei, betont, dass man nicht
berechtigt behaupten könne, dass die Öffentlichkeit nicht hergestellt worden
sei und die Öffentlichkeit keine Kenntnis hatte. Den Vorwurf, dass es hier sehr
schnell gegangen sei, höre er gern, da der Rat sonst unter dem Vorwurf
leidet, dass in dieser Stadt alles viel zu lange dauere. Mit dem Vorwurf, dass
es hier einmal schneller gegangen sei, könne er gut leben. Er
weist den Vorwurf von Herrn Schwanzar zurück, dass dessen Wortmeldungen in den
Ausschüssen nicht Ernst genommen werden. Niemand sei ihm über den Mund gefahren
und es werde die Meinung derer, die mit diskutieren, aber nicht mit stimmen
dürfen, sehr ernst genommen. Herr Schwanzar solle nicht den Eindruck erwecken,
als sei seine Fraktion die geknechtete Minderheit im Rat der Stadt Jever.
Dieses müsse er zurückweisen.
Sodann verliest Herr Husemann den
dieser Niederschrift beigefügten Redebeitrag.
Herr Werber zitiert im Rahmen seiner Ausführungen
die Lokalpresse, die sehr intensiv und umfangreich über dieses Thema berichtet
habe. Sowohl die FDP-Fraktion als auch die SWG/Sender-Gruppe begrüßen es sehr,
dass dieses Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert werde. Aus diesem
Grund sei auch der Antrag gestellt worden, der in dieser Sitzung beraten und
behandelt werden soll, nämlich die Bürger zu befragen. Zitat: "Anders als
Musik, die man leiser stellen kann, oder Bilder, die man einfach wieder
abhängt, werden die geplanten Kunstwerke das Stadtbild über Jahre oder
Jahrzehnte prägen. Da sollte nichts gegen den Willen der Bürger entschieden
werden." Dieses habe Herr Helmut Burlager am 10.04.2010 in "Meinen
Wochenrückblick" im Jeverschen Wochenblatt geschrieben. Weiteres Zitat:
"Jever hat noch ein unverwechselbares Gesicht und benötigt keine mehr oder
weniger beliebige Ausstattung öffentlicher Räume in dieser geballten Form, doch
scheint das jetzt vorgesehene Projekt in seinen Auswirkungen für die Altstadt
deutlich überdimensioniert. Man sollte daher zu den anfänglichen Überlegungen
zurückkehren, die sich mit der Ausgestaltung des Famila-Kreisels
beschäftigten." Dieses habe Herr Werner Menke, Verfasser des Buches
"Denkmäler in Jever" geschrieben. Die begeisterte Jeveranerin und
Spiegel-Redakteurin Mareike Spiess-Hohnholz habe im Jeverschen Wochenblatt geschrieben:
"Die lokale Politik sollte transparenter gemacht werden." Herr
Werber erklärt, dass aus diesem Grunde der Antrag gestellt worden sei.
Er wirft dazu die Frage auf, wie es ohne jegliche
Bürgerbeteiligung und ohne öffentliche Diskussion zu einem Beschluss kommen
konnte, in Jever einen Skulpturenrundgang zu schaffen, gegen den es in der
Bevölkerung durchaus Vorbehalte gebe. Abschließend zitiert Herr Werber
den Altertums- und Heimatverein: "Verballhornung der kulturellen Zeugnisse
Jevers". Dieses seien alles kritische Stimmen von kompetenten Bürgern.
Nicht nur diese kritischen Bürger hätten sich geäußert, sondern auch eine
Vielzahl von Jeveranern und Touristen. Die FDP-Fraktion und die
SWG/Sender-Gruppe hätten dazu auf dem Wochenmarkt am Freitag und am Dienstag
eine Meinungsumfrage durchgeführt, um sich einen Eindruck zu machen. Man wollte
hören, was die Leute dazu sagen. Überwiegend sei die Meinung der Leute kritisch
bzw. negativ gewesen. Die Jeveraner hätten spontan gesagt, dass diese
Skulpturen nicht gebraucht werden, da genügend schöne Denkmäler vorhanden
seien. Viele Besucher hätten gesagt, dass sie nach Jever der Altertümer bzw.
der historischen Altstadt wegen, aber nicht wegen neuer Betonfiguren kämen.
Herr Werber spricht sodann Herrn Husemann an.
Dieser habe in der NWZ davon gesprochen, dass eine Bürgerbefragung nicht in das
System der kommunalen Selbstverwaltung passe und habe dieses auch hier
wiederholt. Er frage sich, wie Herr Husemann zu diesem Schluss komme.
Der niedersächsische Verfassungsgeber habe ausdrücklich in § 22 d der
niedersächsische Kommunalverfassung geregelt, dass eine Bürgerbefragung
zulässig sei. Der Bürger solle eine Chance haben, bei wichtigen Fragen sich zu
äußern und Stellung zu nehmen. Was könnte wichtiger sein, als in diesem Punkt
die Bürger nach ihrer Meinung zu fragen. Er fragt, warum man sich
dagegen wehre. Herr Husemann spreche dauernd über Bürgerfreundlichkeit und
Bürgernnähe. Was hindere ihn, heute durch Mitstimmen zu bekennen, dass er für
eine Bürgerbefragung sei. Es gehe hier nicht um das Altstadt-Quartier sondern
um die "gute Wohnstube" der Stadt. Mit dieser "guten
Wohnstube" identifizieren sich die Bürger Es handele sich dabei um ein
identitätsstiftendes Merkmal der Stadt Jever. Herr Werber stellt klar,
dass sowohl seine Fraktion als auch die SWG/Sender-Gruppe die Ansicht
vertreten, dass die Bürger der Stadt Jever zu dem Thema befragt werden sollten.
Die Ratsmitglieder seien verpflichtet, die Bürger anzuhören.
Den Einwand von Herr Husemann, dass in
der Vergangenheit keine Bürgerbefragung durchgeführt worden sei, verstehe er
nicht. Das Mitscherlichdenkmal sei nicht vergleichbar mit den geplanten
Skulpturen. Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen, so dass dieses Argument
nicht ziehe.
Herr Werber begrüßt, das Sponsoren Geld für die
Ausgestaltung der Stadt zur Verfügung stellen und dass der Famila-Kreisel
ausgestaltet werden soll. Seine Fraktion könne sich vorstellen, dass in den
Stadteingängen (bei OBI/McDonalds, bei ALDI oder beim Bahnhof) Figuren aufgestellt
werden, die auf die Alt- bzw. Innenstadt hinweisen und die Besucher der Stadt
animieren, dorthin zu gehen. Aber in der Innenstadt sei weniger mehr. Er
appelliert, es bei dem jetzigen Zustand zu belassen.
Zur Kostenaussage von Herrn Janßen
erklärt Herr Werber, dass derjenige, der im Rat für eine Ausgabe von 1,6
Mio. Euro für einen Vertrag mit einem Investor stimme, der das Vorhaben
Altstadt-Quartier für weniger realisiert hätte, der müsse auch 2.000,00 Euro
für eine Befragung der Bürger über haben.
Herr Husemann und Frau Dankwardt hätten
sich oft für Bürgerfreundlichkeit eingesetzt. Sie könnten diese nun beweisen,
wenn sie für die Bürgerbefragung stimmen.
Herr Schönbohm stellt fest, dass das meiste schon
gesagt worden sei, so dass er sich kurz fassen könne. Über Kunst im
öffentlichen Raum könne man viel diskutieren, da es die verschiedensten
Ideenvorstellungen gebe. Anregungen von kompetenter Seite sollten jedoch nicht
einfach in den Wind geschossen werden. Aus diesem Grunde bedauere die
SWG/Sender-Gruppe, dass innerhalb einer guten Stunde das Projekt in der Sitzung
des Kulturausschusses vorgestellt und auch entschieden worden sei. Danach habe
es, von Leserbriefen abgesehen, keine Möglichkeit mehr gegeben, öffentlich
etwas zu dem Projekt zu sagen, bzw. darüber zu diskutieren und seine Meinung
oder Fachkompetenz einzubringen. Sonst sei in einer 1. Runde immer die
Vorstellung erfolgt und in einer 2. Runde dann beraten und entschieden worden.
In diesem Fall sei es sehr schnell gegangen. Herr Husemann habe erklärt, dass
sich keiner an den Künstler gewendet habe. Er habe dieses damals
angeregt, dieses sei aber nicht gewünscht gewesen.
Die Vorsitzende erklärt, dass der Rat sich nur mit der
Frage zu befassen habe, ob er sich mit dem gemeinsamen Antrag der SWG/Sender-Gruppe
und der FDP-Fraktion vom 19.03.2010 bezüglich der Durchführung einer
Bürgerbefragung gemäß § 22 NGO zur geplanten Aufstellung von Betonskulpturen in
der historischen Altstadt befassen wolle oder nicht.
Sie lässt sodann darüber abstimmen.