Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich abgelehnt:

Abstimmung: Ja: 12, Nein: 17

 

 

 

Der Rat der Stadt Jever befasst sich mit dem gemeinsamen Antrag der SWG/Sender-Gruppe und der FDP-Fraktion vom 19.03.2010 bezüglich der Durchführung einer Bürgerbefragung gemäß § 22 d NGO zur geplanten Aufstellung von Betonskulpturen in der historischen Altstadt.

 

 


Die Vorsitzende erteilt Herrn Hartl das Wort. Dieser stellt fest, dass man aufgrund der Ausführungen der Vorredner mitten im Thema sei. Am 12. März habe seine Fraktion, nachdem man sich nach den Beschlüssen, die gefasst worden waren, eines anderen bzw. besseren besonnen habe, einen Antrag gestellt. Aufgrund der Verfahrensweise, wie man mit dem Antrag umgegangen sei, sei man damit im Verwaltungsausschuss geendet.

Damit habe sich seine Fraktion aber nicht zufrieden geben wollen, da die Ansicht vertreten werde, dass die Öffentlichkeit zu diesem Skulpturenpfad ein größeres Informationsrecht haben müsse. Der gleichen Meinung sei auch die SWG/Sender-Gruppe gewesen. So habe man gemäß § 41 NGO bei der Bürgermeisterin die sofortige Einberufung einer Sitzung des Rates unter Angabe des Beratungsgegenstandes "Durchführung einer Bürgerbefragung nach § 22 NGO" - beantragt. Die Sitzung wäre zum 01.04.2010 einzuberufen gewesen. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur nächsten turnusgemäßen Ratssitzung habe man sich einvernehmlich darauf geeinigt, diesen Punkt in der heutigen Ratssitzung zu behandeln. Sodann verliest Herr Hartl die dieser Niederschrift beigefügte Stellungnahme.

 

Herr Schwanzar führt aus, dass seine Fraktion schlechte Erfahrungen mit "Lehrpfaden" gemacht habe. Es sei einmal um einen stadtökologischen Lehrpfad gegangen, der dann zerredet worden sei. Deshalb wolle man hier nicht das Gleiche tun. Seine Fraktion habe sich intensiv darüber Gedanken gemacht. Er selbst sei der Einzige gewesen, der im VA  die von Herrn Menke geltend gemachten Bedenken zu dem Skulpturenpfad geäußert habe. Diese seien leider auf keinerlei fruchtbaren Boden gestoßen. Seine Fraktion sei  immer für Bürgerbeteiligung und Transparenz. Seiner Ansicht nach sei der Skulpturenpfad mit zu heißer Nadel genäht worden. Nach der Vorstellung des Konzeptes im Kulturausschuss habe es keinen Rücklauf mehr in die Fraktionen gegeben. Dann sei der VA bereits terminiert und die Sache beschlossen worden. Wenn der Beton jetzt bestellt sei, sei es sehr schwierig, die Geschichte zu bremsen. Da es wegen der Mehrheitsverhältnisse unwahrscheinlich sei, dass der Skulpturenpfad gekippt wird, bleibe nur die Möglichkeit, an die Mehrheitsfraktionen zu appellieren, dass man so vorgehe, wie Herr Eden es angedacht habe. Man solle sich die Kreiselfigur nach Fertigstellung erst einmal anschauen und dann hören, wie diese ankomme. Er habe beispielsweise nichts gegen die geplante Figur des lesenden Bürgers am Kirchplatz vor der Buchhandlung einzuwenden. Er habe aber Probleme mit diesen Figuren in der Tangente von Denkmälern vor dem Schloß oder am Kiebitzbrunnen. Dieses gelte sicher  auch für die Bürger, die sich mit dieser Stadt sehr stark identifizieren. Man müsse berücksichtigen, dass Jever eine historische Stadt sei und man die Bürger auf diese historische Substanz lenken wolle. Er bedauert, dass man in der politischen Auseinandersetzung nicht mehr aufeinander eingehe. Man solle anders miteinander  und auch mit den Bedenken der Bürger, die hier heute gefragt und sich auf dem Wochenmarkt geäußert haben, ernsthafter umgehen. Dieses mache man ja auch bei der 450-Jahr-Feier. Der Skulpturenpfad sei innerhalb von 2 Wochen dingfest gemacht. Dieses habe es bisher noch nicht gegeben.

 

Herr Janßen erklärt, dass es Kulturrundgänge in vielen anderen Städten gebe. In Jever sei nun ein Skulpturenpfad vorgesehen. Seine Fraktion empfinde dieses als tolle Sache für Jever. Positiv daran sei auch, dass diese Skulpturen die Stadt kein Geld kosten. Dieses sei äußerst selten. Man solle sich darüber freuen, dass sich Sponsoren gefunden haben, die für 4 Skulpturen gespendet hätten. Er bittet darum, dieses Projekt nicht zu zerreden, zumal es noch genügend Möglichkeiten gebe, darüber zu diskutieren. Der Antrag auf Bürgerbefragung hätte seiner Ansicht nach unmittelbar nach der Kulturausschusssitzung gestellt werden müssen. In den politischen Gremien habe es keine Gegenstimmen zu dem Skulpturenpfad gegeben. Diese seien hinreichend informiert worden.

 

Es sei auch die Meinung geäußert worden, dass man die konkrete Gestaltung der Skulpturen den Künstlern überlassen solle. Dieser Meinung könne man nur zustimmen, da Kunst auch etwas mit Vertrauen zu tun habe; Vertrauen in den Künstler und Vertrauen in die Vertreter der Stadt, in diesem Fall in den Rat als Vertretung der Bürgerschaft. Bau- und Denkmalbehörden wurden und werden einbezogen, auch in Bezug auf die künftigen Standorte.

 

Die Öffentlichkeit sei durch zahlreiche Presseveröffentlichungen und öffentliche Ausschusssitzungen hergestellt worden. Nichts sei hinter verschlossenen Türen entschieden worden. Die Künstler wären sicherlich bereit, ihr Vorhaben interessierten Bürgern vorzustellen. Denkbar wäre, dass die Künstler an einem Freitag Vormittag im Graf-Anton-Günther-Saal das Projekt anhand von Skizzen vorstellen. Dort könne sich der interessierte Bürger informieren. An dem Grundkonzept solle festgehalten werden, zumal im Verwaltungsausschuss der Grundidee und dem vorgestellten Konzept mit 11 Standorten einvernehmlich zugestimmt worden sei. Alles sei noch im Fluss. Die Größe der Skulpturen sei noch nicht abschließend festgelegt. Es würden keine Riesen in die  Innenstadt gestellt.

 

Inwieweit alle 11 Standorte realisiert werden, hänge von den Sponsoren ab. Diese solle man nicht vergraulen, in dem man negativ diskutiere. Man solle das Ganze positiv sehen. Die SPD-Fraktion spreche sich zwar gegen eine Bürgerbefragung aus, sei aber für einen weiteren Dialog mit den interessierten Bürgern. Die endgültigen Entscheidungen seien noch nicht gefallen. Die Skulpturen würden nach und nach aufgestellt, so, wie Geld dafür vorhanden sei. Über jeden weiteren Standort könne diskutiert und auch andere Standorte genommen werden.

 

Herr Janßen begründet die ablehnende Haltung seiner Fraktion zu einer Bürgerbefragung damit, dass diese einen hohen finanziellen Aufwand mit sich bringe. Nach seinen Informationen würde sich dieser auf ca. 3.000,00 Euro belaufen. Diesen Betrag habe man nicht im Haushalt eingeplant und müsste außerplanmäßig bereit gestellt werden. Es sei unklar, welche Kriterien bei der Bürgerbefragung angewandt werden müssen. Alle Bürger müssten die Möglichkeit zur Stimmabgabe haben. Nicht jeder Bürger kenne sich im Internet aus und nicht jeder könne ins Rathaus kommen. Er wirft die Fragen auf, wie repräsentativ diese Umfrage sei und die Fragestellung aussehen solle. Bei Kunst habe man sehr schnell viele verschiedene Meinungen. Letztendlich stellt sich die Frage, wie das Ergebnis bewertet werden solle.

Die letztliche Entscheidung liege beim Rat. Dieser müsse die Verantwortung tragen und möglicherweise den Kopf hin halten, wenn es schief gehe. Seine Fraktion habe harte Köpfe und würde diese auch hin halten.

 

Herr Husemann erklärt, dass er sich zu diesem Tagesordnung zu den Themen Öffentlichkeit, zur Thematik selbst und zur Bürgerbefragung Stellung nehmen wolle. Herr Janßen habe freundlicherweise aus seiner Sicht, die auch die Sicht der CDU-Fraktion sei, betont, dass man nicht berechtigt behaupten könne, dass die Öffentlichkeit nicht hergestellt worden sei und die Öffentlichkeit keine Kenntnis hatte. Den Vorwurf, dass es hier sehr schnell gegangen sei, höre er gern, da der Rat sonst unter dem Vorwurf leidet, dass in dieser Stadt alles viel zu lange dauere. Mit dem Vorwurf, dass es hier einmal schneller gegangen sei, könne er gut leben. Er weist den Vorwurf von Herrn Schwanzar zurück, dass dessen Wortmeldungen in den Ausschüssen nicht Ernst genommen werden. Niemand sei ihm über den Mund gefahren und es werde die Meinung derer, die mit diskutieren, aber nicht mit stimmen dürfen, sehr ernst genommen. Herr Schwanzar solle nicht den Eindruck erwecken, als sei seine Fraktion die geknechtete Minderheit im Rat der Stadt Jever. Dieses müsse er zurückweisen.

 

Sodann verliest Herr Husemann den dieser Niederschrift beigefügten Redebeitrag.

 

Herr Werber zitiert im Rahmen seiner Ausführungen die Lokalpresse, die sehr intensiv und umfangreich über dieses Thema berichtet habe. Sowohl die FDP-Fraktion als auch die SWG/Sender-Gruppe begrüßen es sehr, dass dieses Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert werde. Aus diesem Grund sei auch der Antrag gestellt worden, der in dieser Sitzung beraten und behandelt werden soll, nämlich die Bürger zu befragen. Zitat: "Anders als Musik, die man leiser stellen kann, oder Bilder, die man einfach wieder abhängt, werden die geplanten Kunstwerke das Stadtbild über Jahre oder Jahrzehnte prägen. Da sollte nichts gegen den Willen der Bürger entschieden werden." Dieses habe Herr Helmut Burlager am 10.04.2010 in "Meinen Wochenrückblick" im Jeverschen Wochenblatt geschrieben. Weiteres Zitat: "Jever hat noch ein unverwechselbares Gesicht und benötigt keine mehr oder weniger beliebige Ausstattung öffentlicher Räume in dieser geballten Form, doch scheint das jetzt vorgesehene Projekt in seinen Auswirkungen für die Altstadt deutlich überdimensioniert. Man sollte daher zu den anfänglichen Überlegungen zurückkehren, die sich mit der Ausgestaltung des Famila-Kreisels beschäftigten." Dieses habe Herr Werner Menke, Verfasser des Buches "Denkmäler in Jever" geschrieben. Die begeisterte Jeveranerin und Spiegel-Redakteurin Mareike Spiess-Hohnholz habe im Jeverschen Wochenblatt geschrieben: "Die lokale Politik sollte transparenter gemacht werden." Herr Werber erklärt, dass aus diesem Grunde der Antrag gestellt worden sei.

 

Er wirft dazu die Frage auf, wie es ohne jegliche Bürgerbeteiligung und ohne öffentliche Diskussion zu einem Beschluss kommen konnte, in Jever einen Skulpturenrundgang zu schaffen, gegen den es in der Bevölkerung durchaus Vorbehalte gebe. Abschließend zitiert Herr Werber den Altertums- und Heimatverein: "Verballhornung der kulturellen Zeugnisse Jevers". Dieses seien alles kritische Stimmen von kompetenten Bürgern. Nicht nur diese kritischen Bürger hätten sich geäußert, sondern auch eine Vielzahl von Jeveranern und Touristen. Die FDP-Fraktion und die SWG/Sender-Gruppe hätten dazu auf dem Wochenmarkt am Freitag und am Dienstag eine Meinungsumfrage durchgeführt, um sich einen Eindruck zu machen. Man wollte hören, was die Leute dazu sagen. Überwiegend sei die Meinung der Leute kritisch bzw. negativ gewesen. Die Jeveraner hätten spontan gesagt, dass diese Skulpturen nicht gebraucht werden, da genügend schöne Denkmäler vorhanden seien. Viele Besucher hätten gesagt, dass sie nach Jever der Altertümer bzw. der historischen Altstadt wegen, aber nicht wegen neuer Betonfiguren kämen.

 

Herr Werber spricht sodann Herrn Husemann an. Dieser habe in der NWZ davon gesprochen, dass eine Bürgerbefragung nicht in das System der kommunalen Selbstverwaltung passe und habe dieses auch hier wiederholt. Er frage sich, wie Herr Husemann zu diesem Schluss komme. Der niedersächsische Verfassungsgeber habe ausdrücklich in § 22 d der niedersächsische Kommunalverfassung geregelt, dass eine Bürgerbefragung zulässig sei. Der Bürger solle eine Chance haben, bei wichtigen Fragen sich zu äußern und Stellung zu nehmen. Was könnte wichtiger sein, als in diesem Punkt die Bürger nach ihrer Meinung zu fragen. Er fragt, warum man sich dagegen wehre. Herr Husemann spreche dauernd über Bürgerfreundlichkeit und Bürgernnähe. Was hindere ihn, heute durch Mitstimmen zu bekennen, dass er für eine Bürgerbefragung sei. Es gehe hier nicht um das Altstadt-Quartier sondern um die "gute Wohnstube" der Stadt. Mit dieser "guten Wohnstube" identifizieren sich die Bürger Es handele sich dabei um ein identitätsstiftendes Merkmal der Stadt Jever. Herr Werber stellt klar, dass sowohl seine Fraktion als auch die SWG/Sender-Gruppe die Ansicht vertreten, dass die Bürger der Stadt Jever zu dem Thema befragt werden sollten. Die Ratsmitglieder seien verpflichtet, die Bürger anzuhören.

 

Den Einwand von Herr Husemann, dass in der Vergangenheit keine Bürgerbefragung durchgeführt worden sei, verstehe er nicht. Das Mitscherlichdenkmal sei nicht vergleichbar mit den geplanten Skulpturen. Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen, so dass dieses Argument nicht ziehe.

 

Herr Werber  begrüßt, das Sponsoren Geld für die Ausgestaltung der Stadt zur Verfügung stellen und dass der Famila-Kreisel ausgestaltet werden soll. Seine Fraktion könne sich vorstellen, dass in den Stadteingängen (bei OBI/McDonalds, bei ALDI oder beim Bahnhof) Figuren aufgestellt werden, die auf die Alt- bzw. Innenstadt hinweisen und die Besucher der Stadt animieren, dorthin zu gehen. Aber in der Innenstadt sei weniger mehr. Er appelliert, es bei dem jetzigen Zustand zu belassen.

 

Zur Kostenaussage von Herrn Janßen erklärt Herr Werber, dass derjenige, der im Rat für eine Ausgabe von 1,6 Mio. Euro für einen Vertrag mit einem Investor stimme, der das Vorhaben Altstadt-Quartier für weniger realisiert hätte, der müsse auch 2.000,00 Euro für eine Befragung der Bürger über haben.

 

Herr Husemann und Frau Dankwardt hätten sich oft für Bürgerfreundlichkeit eingesetzt. Sie könnten diese nun beweisen, wenn sie für die Bürgerbefragung stimmen.

 

Herr Schönbohm stellt fest, dass das meiste schon gesagt worden sei, so dass er sich kurz fassen könne. Über Kunst im öffentlichen Raum könne man viel diskutieren, da es die verschiedensten Ideenvorstellungen gebe. Anregungen von kompetenter Seite sollten jedoch nicht einfach in den Wind geschossen werden. Aus diesem Grunde bedauere die SWG/Sender-Gruppe, dass innerhalb einer guten Stunde das Projekt in der Sitzung des Kulturausschusses vorgestellt und auch entschieden worden sei. Danach habe es, von Leserbriefen abgesehen, keine Möglichkeit mehr gegeben, öffentlich etwas zu dem Projekt zu sagen, bzw. darüber zu diskutieren und seine Meinung oder Fachkompetenz einzubringen. Sonst sei in einer 1. Runde immer die Vorstellung erfolgt und in einer 2. Runde dann beraten und entschieden worden. In diesem Fall sei es sehr schnell gegangen. Herr Husemann habe erklärt, dass sich keiner an den Künstler gewendet habe. Er habe dieses damals angeregt, dieses sei aber nicht gewünscht gewesen.

 

Die Vorsitzende erklärt, dass der Rat sich nur mit der Frage zu befassen habe, ob er sich mit dem gemeinsamen Antrag der SWG/Sender-Gruppe und der FDP-Fraktion vom 19.03.2010 bezüglich der Durchführung einer Bürgerbefragung gemäß § 22 NGO zur geplanten Aufstellung von Betonskulpturen in der historischen Altstadt befassen wolle oder nicht.

 

Sie lässt sodann darüber abstimmen.