Sitzung: 20.06.2013 Rat der Stadt Jever
Beschluss: Abstimmung: mehrheitlich beschlossen:
Abstimmung: Ja: 17, Nein: 10, Enthaltungen: 1
Vorlage: BV/0403/2011-2016
Beschlussvorschlag:
|
Der geänderten Aufwandskalkulation und
Beitragssatzberechnung wird zugestimmt (Beitragsfähiger Aufwand = 75.000 €
für sechs Monate, 150.000 € jährlich; Beitragssatz 16,16 %). Der geänderte Entwurf der Satzung über die Erhebung
eines Fremdenverkehrsbeitrags in der Stadt Jever wird als Satzung
beschlossen. Der geänderte Satzungsentwurf sowie die geänderte
Aufwandskalkulation inkl. Beitragssatzberechnung sind der Niederschrift als
Anlage beigefügt. Zwei Drittel der Einnahmen, die aus dem jährlichen
Beitragsaufkommen des Fremdenverkehrsbeitrages resultieren, werden zur
Refinanzierung der Aufwendungen herangezogen, die der Stadt Jever nach dem
bisherigen Stand für die Fremdenverkehrsförderung entstehen. Die restlichen
Einnahmen werden für zusätzliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der
Tourismusförderung und dem Stadtmarketing zweckgebunden zur Verfügung
gestellt. Bei der Verwendung dieser zweckgebundenen Einnahmen
wird den offiziellen VertreterInnen der Gewerbe- und Gastronomiebetriebe in
der Stadt Jever ein Mitspracherecht eingeräumt. |
|
Herr Janssen führt aus, das mit Verabschiedung des
Haushaltes 2012 ein Konsolidierungskonzept verabschiedet wurde, weil der
Haushalt nicht ausgeglichen werden konnte. Gegenstand des
Konsolidierungskonzeptes war u.a. die Einführung einer Fremdenverkehrsabgabe.
Im Dezember 2012 sei dann mit einer 2/3 Mehrheit der Grundsatzbeschluss zur
Einführung eines Fremdenverkehrsbeitrages gefasst worden.
Seit dem Grundsatzbeschluss haben sich
die Gremien des Rates ausgiebig mit dem Thema befasst, zuletzt im Verwaltungsausschuss
vom 11.06.2013, wo ein Kompromiss gefunden wurde, mit einem Beitragssatz von
16,16 %. Nun gehe es um den Satzungsbeschluss und damit konkret um Geld. Da
Jever eine streitbare Stadt sei, werde hier mitunter mit harten Bandagen
gekämpft. Er gebe aber zu bedenken, dass die SPD den Fremdenverkehrsbeitrag zum
Wohle der Stadt erheben wolle und nicht um jemanden zu ärgern. Jever solle
attraktiv bleiben, der Tourismus, Jevers Standbein Nummer 1, nach Möglichkeit
weiter ausgebaut werden. Das Ziel müsse der Erhalt und die Verbesserung von
Maßnahmen rund um das Thema „Tourismus“ sein.
Er gebe zu bedenken, dass Stadtmarketing
eine freiwillige Aufgabe sei, die den Haushalt nicht unerheblich belaste.
Bislang finanzierten alle Bürger über ihre Steuern und Abgaben die Ausgaben des
Tourismus mit, zukünftig sollten die vorrangig zahlen, die vom Tourismus
profitierten. Die Abgabe solle gerecht sein, jeder solle nach seiner
Leistungsfähigkeit und seinem Vorteil zur Finanzierung beitragen, jedoch nicht
über Gebühr belastet werden. Mit dem vorliegenden Satzungsentwurf sei dies
seiner Meinung nach gelungen. Bei einem Beitragssatz von 16,16 % zahlten etwa
die Hälfte der Beitragspflichtigen knapp 100,00 € pro Jahr, das seien rund 8,00
€ im Monat und damit weniger als mancher Vereinsbeitrag. Hinzu komme, dass
gerade auch höhere Beiträge als Aufwand gewinnmindernd von der Steuer abgesetzt
werden könnten. Von den in diesem Jahr noch zu erwirtschaftenden ca. 75.000,00
€ sollten 2/3 zur Refinanzierung des Stadtmarketings genutzt werden. Das
weitere Drittel solle für die Stadtmarketing GmbH und Jever Aktiv verbleiben.
Seine Fraktion glaube, dass mit der
vorliegenden Satzung ein Ergebnis erzielt wurde, mit dem eigentlich alle leben
können. Dass nun u.U. der Klageweg beschritten werde, damit müsse man in einer
Demokratie leben. Seine Fraktion stimme geschlossen für die Satzung und er
appelliere an die übrigen Fraktionen es ihnen gleich zu tun.
Herr Schönbohm stellt zunächst die Frage, wer schon
gerne Steuern und Abgaben zahle. Man komme nur irgendwann zu dem Ergebnis, dass
es ohne eben nicht gehe. Grundsätzliche Bedenken gegen weitere Steuern und
Abgaben und den damit verbunden Verwaltungsaufwand könne er zwar
nachvollziehen, sei aber doch der Meinung, dass der Tourismus für die Region
ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sei. Dies zu erhalten und zu verbessern gehe
nicht zum Nulltarif. Zwar bestehe auch die Möglichkeit, die Gewerbesteuer zu
erhöhen, doch hier zahlten auch nur wenige und man erreiche damit nicht die
Filialisten. Die Grundsteuer zu erhöhen belaste alle, nicht nur die, die man in
diesem Fall erreichen wolle. Auch freiwillige Beiträge seien eine denkbare
Alternative, die Erfahrungen der Vergangenheit zeigten jedoch, dass es keine
zuverlässige Alternative darstelle.
Die Kosten für Marketing und Tourismus
im weiteren Sinne entstünden nur zu einem kleinen Teil durch die
Zimmervermittlung. Viele der für den Tourismus wichtigen Aufgaben zahle zur
Zeit die Allgemeinheit. Als Beispiele seien hier das Schloßmuseum zu nennen,
hier zahle die Stadt 6stellige Beträge, das Mühlenensemble,
Stadtsanierungsgebiete, das Altstadtfest und andere Feste, kulturelle Angebote,
wie das Theater, Freibad und Bücherei, der Internetauftritt und vieles andere.
Das alles lasse sich nur mit Planung, Vorbereitung und dem notwendigen Personal
erledigen. In welcher Konstellation die Marketing- und Tourismus-GmbH
weitergeführt werde, darüber sei noch zu entscheiden.
Es sei sicherlich richtig, dass davon
alle Bürger auch ein Stück weit profitieren, sei es durch Arbeitsplätze,
Steuereinnahmen oder ein schöneres Stadtbild. Doch sei die Förderung des
Tourismus für die Gruppe der Hotels, Gaststätten und andere, zum Teil direkt,
zum Teil indirekt überlebensnotwendig. Da sei es doch nur solidarisch, wenn
diese Gruppe auch zumindest einen kleinen Teil, denn mehr sei die erhobene
Abgabe nicht, dieser Aufwendungen trage und nicht alles der Allgemeinheit
überlasse. Dies funktioniere auch in anderen Bereichen, z.B. habe die Stadt
eine Straßenausbaubeitragssatzung, nach der die direkten Anlieger einer
ausgebauten Straße für den Ausbau zahlen und nicht die Allgemeinheit unabhängig
davon, ob der Anlieger die Straße nutze.
Die Fraktion der SWG werde nicht
einheitlich abstimmen, da einige in der Fraktion den höheren Betrag von 200.000,00
€ favorisieren.
Herr Schüdzig führt aus, dass er die höhere Umlage
von 200.000,00 € befürworte, um aus den Einnahmen auch die Eisbahn, den
Kiewittmarkt und andere Veranstaltungen zu finanzieren, die bislang von
Jever-Aktiv finanziert worden seien. Zum andere habe die Kommunalaufsicht der
Stadt ins Stammbuch geschrieben, mehr Einnahmen zu generieren und die Ausgaben
zu senken. Der Fremdenverkehrsbeitrag solle den Haushalt entlasten, ohne
gänzlich auf andere freiwillige Leistungen zu verzichten.
Wenn die Kommunalaufsicht feststelle,
dass es am politischen Willen fehle, Einnahmen zu generieren und Ausgaben zu
senken, werde es der Stadt Jever so ergehen wie der Stadt Schortens, wo der
Haushalt nur unter strengsten Auflagen genehmigt wurde. Dann könne es
passieren, dass Aktionen wie der Seniorenpass oder Einrichtungen wie Bücherei
oder Freibad reduziert oder ganz gestrichen werden müssten. Er appelliere an
die Gewerbetreibenden den Beschluss zur
Einführung einer Fremdenverkehrsabgabe zu akzeptieren, damit Jever eine
attraktive Stadt mit Freibad, Bücherei etc. bleibe.
Frau Zielke erklärt, dass die Mehrheit ihrer
Fraktion die Einführung des Fremdenverkehrsbeitrages ablehne. Es handele sich
um die Einführung einer neuen Abgabe, mit deren Abschaffung in den nächsten
Jahren nicht zu rechnen sei. Gleichzeitig sei aber nicht klar ersichtlich,
welche Löcher mit dieser Abgabe gestopft werden sollen. Es liege zwar eine
Verwendungsabsicht vor, aber Papier sei geduldig. Letztendlich zahle der Bürger
die Zeche, z.B. über die Erhöhung von Lebensmittelpreisen oder dadurch dass der
Restaurantbesuch teurer werde. Sie sehe außerdem die Gefahr, dass das bisherige
ehrenamtliche Engagement zurückgefahren werde. Daher stimme man mehrheitlich
der Satzung nicht zu.
Herr Hartl begründet noch einmal, warum seine
Fraktion sich entschieden habe, der Einführung eines Fremdenverkehrsbeitrages
zuzustimmen, nachdem man zunächst dagegen gewesen sei. Die Gründe für die
Zustimmung lägen in der Haushaltspolitik, da man einen defizitären Haushalt
habe und nicht in die gleiche Situation kommen wolle, wie die Stadt Schortens,
die bereits jetzt fremdbestimmt sei und sich vom Landkreis jede freiwillige
Leistung genehmigen lassen müsse. Lese man die Haushaltsgenehmigung der Stadt
Jever, sehe man, dass man kurz davor sei, in die gleiche Situation zu gelangen.
Darum habe man zunächst auch die höhere Umlage von 200.000,00 € favorisiert. Es
habe sich in den Erhebungen jedoch zur Überraschung aller Beteiligten
herausgestellt, dass nur ca. 930.000,00 € beitragsfähig/erhebungsfähig seien.
Daher stimme man dem Beitragssatz von 16,16 % zu, der auch von dem beratenden
Rechtsanwalt favorisiert wurde.
Neben dem haushalterischen Gesichtspunkt
sei es für sie wichtig gewesen, dass, wie in dem Beschlussvorschlag formuliert,
bei der Verwendung des verbleibenden Drittels der zweckgebundenen Einnahme den
offiziellen VertreterInnen der Gewerbe- und Gastronomiebetriebe in der Stadt
Jever ein Mitspracherecht eingeräumt werde. Dieser Satz sei für ihn der
Schlüssel zu diesem Kompromiss gewesen, dem die FDP-Fraktion zustimmen werde
zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger, denn sonst müsse man den Rotstift u.U.
bei freiwilligen Leistungen ansetzen.
Herr Fessel stellt klar, dass die CDU-Fraktion der
Einführung des Fremdenverkehrsbeitrages und somit der vorliegenden Satzung
nicht zustimmen werde. Man sträube sich nicht gegen eine notwendige
Haushaltskonsolidierung, halte aber die Einführung eines
Fremdenverkehrsbeitrages in der vorliegenden Form für das falsche Mittel. Um
die freiwilligen Leistungen zu erhalten müsse man über andere Wege der
Einnahmeverbesserung reden, eine Erhöhung der Hebesätze der Grund- und
Gewerbesteuer könne hier eine Lösung sein. Aus Sicht seiner Fraktion sprächen
viele Gründe gegen die Einführung. Zum einen sei mit einer großen
Rechtsunsicherheit zu rechnen, die eine Konsolidierung des Haushaltes
verhindern könne. Das zeigten die Erfahrungen anderer Kommunen, die touristisch
stärker geprägt seien und die bereits angekündigten Klagen. Weiterhin sei mit
einem Verwaltungsaufwand bei der Bearbeitung zu rechnen, der nach ihren
vorsichtigen Schätzungen Kosten in 5-stelliger Höhe verursachen werde und damit
einen nicht unerheblichen Teil der Einnahme aufzehren werde.
Eine Kalkulation der Kosten für die
Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages habe man seitens der Verwaltung nicht
vorgelegt, dies wäre für die Entscheidungsfindung aber hilfreich gewesen und
hätte vielleicht an der ein oder anderen Stelle auch zu einer anderen
Entscheidung geführt. Es gebe städtische Aufwendungen für den Tourismus in den
Beschlussvorlagen, bei denen fragwürdig sei, ob sie wirklich als solche geltend
gemacht werden könnten. Weiterhin bemängele er äußerst fragwürdige
Vorteilssätze bei wesentlichen Beitragszahlern, die, sollten sie per Klage
gekippt werden, das ganze Zahlenspiel über den Haufen werfen würden, was zu
hohen Beträgen bei den Unternehmen führen könne, die derzeit nur gering
belastet würden.
Außerdem sei die Zukunft der Marketing-
und Tourismus-GmbH und ihrer Aufgaben nicht geklärt als einer der zentralen
Punkte für die touristischen Aufwendungen der Stadt. Hinzu komme erschwerend
die Aufkündigung der Zusammenarbeit zwischen zahlreichen Gewerbetreibenden und
der MuT-GmbH. Als zentrales Problem der
vorliegenden Satzung sehe er aber den Beitragssatz, der jegliche Relation
vermissen lasse. Die Beratung im Vorfeld dieser Sitzung hätten zumindest zu der
Einsicht geführt, dass ein Beitragssatz von 21,54 % nicht durchsetzbar sei, da
man den Unternehmen nicht 1/5 ihres Gewinnes wegnehmen könne. 5 %, oder 6 % wie
in Varel/Dangast halte man für angemessen und zu dem Ertrag passend, den die
Unternehmer durch den Tourismus erwirtschaften, ein Satz von 16,16 % sei
schlichtweg maßlos.
Frau Dankwardt erklärt, ihre Meinung zum Thema
Fremdenverkehrsabgabe sei hinlänglich bekannt, sie weise aber noch mal in aller
Deutlichkeit darauf hin, dass es sich bei der Einführung des
Fremdenverkehrsbeitrages nicht um einen Vorschlag von Herrn Rüstmann handele,
sondern dass dieser Vorschlag von ihr eingebracht worden sei im Zuge der
Haushaltsberatungen innerhalb der Führungsspitze.
Jever sei, wie schon von Herrn Rüstmann
erwähnt nicht arm, man sei handlungsfähig, aber man müsse etwas dafür tun,
damit dies auch so bleibt. Daher stimme sie den Befürwortern des
Fremdenverkehrsbeitrages zu, sei aber gleichwohl der Meinung, dass man moderat
handeln und einen Beitragssatz von 16,16 % beschließen solle.
Das Wort wolle sie aber heute nochmal an
die Gastronome und Hoteliers richten, die zu einem Boykott der Stadt Jever und
MuT-GmbH aufgerufen haben. Offensichtlich seien Mitarbeiter der
Gastronomiebetriebe dahingehend „geimpft“ worden, sie oder der Rat trage die
Schuld dafür, wenn Arbeitsplätze wegfielen. Sie müsse es in dieser Deutlichkeit
einmal sagen, dass sie „keinen Bock“ mehr darauf habe, anonym angerufen zu
werden und kein Verständnis dafür habe, wenn ihr Mann nach einem Kegelabend in
einem hiesigen Lokal von einem Mitarbeiter angegangen werde, weil sie angeblich
den Arbeitsplatz dieses Mannes gefährde.
Sie wolle auch gerne wieder in der
jeverschen Gastronomie einkehren, aber seit dem Boykott gehe sie nur noch in 2
Bäckereien und einen Asia-Shop, von denen sie wisse, dass die sich nicht an dem
Boykott beteiligten. Ähnlich handele ein Teil der Mitarbeiter des Stadtmarketings,
da sie nicht wüssten, ob sie überhaupt bedient würden und erwünscht seien.
Sie bitte die Betroffenen, darüber
nachzudenken, was ein solcher Boykott auslöse. Wenn man der Stadt und
insbesondere der MuT-GmbH die Zusammenarbeit aufkündige, müsse man auch mal
darüber nachdenken, was das für diese Mitarbeiter bedeute. Bestimmte Angebote,
Pauschalangebote, die kombiniert seien mit Übernachtungen in Hotels,
Kneipentouren usw. könnten derzeit nicht mehr angeboten werden. Ein
Aufrechterhalten des Boykotts sollten sich die Betroffenen gut überlegen, denn
die Aufkündigung einer „Freundschaft“ habe immer 2 Seiten. Man stehe kurz davor
die Konzessionen für die Stände der Feste, insbesondere des Altstadtfestes, zu
vergeben. Man gehe bei der Stadt im Moment davon aus, dass die Gastronomen
diese Stände nicht bedienen wollen und deshalb seien auch an hiesige
Boykottunternehmen noch keine Verträge rausgegangen. Dies wolle sie nicht als
Drohung verstanden wissen, es sei aber eine logische Folge aus dem gezeigten
Verhalten. Es sei den Hoteliers und Gastronomen unbenommen, gegen die Satzung
bzw. den Bescheid zu klagen, man lebe schließlich in einem Rechtsstaat und, das
sei durchaus nachzuvollziehen. Nicht nachvollziehbar sei hingegen ein
derartiger Boykott; sie wünsche sich weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit den
Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben und allen anderen, die früher auch
einvernehmlich mit dem Stadtmarketing zusammengearbeitet hätten.
Herr Albers führt aus, dass er dem
Fremdenverkehrsbeitrag, anders als seine Kollegen, nicht zustimmen werde. Er
begründet dies damit, dass eigentlich Bürokratie abgebaut werden solle, die
Stadt Jever mit der Einführung dieser Abgabe das Gegenteil, nämlich mehr
Verwaltungsaufwand, bewirke.
Sodann beschließt der Rat der Stadt Jever: